So uns der Himmel nicht auf den Kopf falle...
Ein bei älteren Fahrzeugen sehr weit verbreitetes Phänomen – es gibt unzählige Beiträge, meistens auf englisch, was die Angelegenheit auf Grund unzähliger Fachbegriffe und Produktbeschreibungen nicht unbedingt vereinfacht. Hier also die allemannische Variante – exklusiv für 9009000.de am Beispiel eines 88er 900-Dreitürers ohne Schiebedach...
Um die auch für relativ unerfahrene Hobbyschrauber technisch nicht sehr anspruchsvolle, jedoch sehr (!) zeitaufwändige Arbeit zu vereinfachen, besorge man sich aus einem Schlachtfahrzeug identischer Bauart (Türanzahl, Schiebedach) einen schrottreifen Zweithimmel, damit man die Übergangszeit nicht ohne Himmel fahren muß (akustisches Inferno) und um ein wenig Übung für die Ausbau/Einbau-relevanten Schritte zu bekommen.
Zuerst werden die diagonalen Fondtraversen ausgebaut. Dafür löst man die hinteren Anschnallgurte sowie die Klemmbügel für die Ausstellfenster. Die Traversen sind lediglich hinter die Dichtungsgummis der Heckklappe und hinter die Lautsprechersockel der Hutablage geklemmt und lassen sich leicht herausziehen. Der Haupthimmel ist nur durch die seitlichen und vorderen Verschraubungen der Kleiderhaken, Haltegriffe, Sonnenblenden und durch den Rückspiegel befestigt. Nach Lösen der versenkten Schrauben (Torx) muß noch die Innenbeleuchtung (Schiebebajonett) entfernt werden, und der gesamte Himmel läßt sich, nachdem man ihn vorsichtig (!) an den Seiten nach unten gebogen hat, durch die Heckklappe herausziehen. Achtung: Seitenkanten dürfen nicht brechen! Klingt einfach – ist es auch. Tipp: Anbauteile der Sonnenblenden rückseitig mit "links/rechts" markieren. Das erspart beim Einbau unnötige Hirnakrobatik, da die Teilchen sphärisch verdreht sind.
Was nun benötigt wird, sind erstens starke Nerven und viel wichtiger: ein fussel- und klebstoffgeruchresistenter Arbeitsraum (Keller, Dachboden o.ä.) mit zwei Böcken oder einer großen Tischplatte für etwa eine Woche (?), denn man wird schnell verstehen, warum alle frequentierten Sattler und Polsterer bei Anfrage entweder gleich mit dem Kopf geschüttelt haben, oder apokalyptische Kostenvoranschläge einreichten. Das Problem liegt nämlich in der Materialbeschaffenheit des Himmelträgers. Die auf den ersten Blick wie Hartschaum wirkende Himmelschale entpuppt sich nämlich bei näherer Betrachtung als ein gepresstes Fasergewebe ähnlich einer Dämmplatte aus Glasfaserwolle, die ursprünglich unter hohem Druck und Temperatur zur Schale gepresst wurde. Durch diesen Pressvorgang sind die Aussenseiten verhärtet und dienen dem Kleber für den textilen Bezugstoff als Träger.
Die hängenden Himmel im 900 entsehen also nicht - wie angenommen – dadurch, daß sich der Himmel von der Schale gelöst hat, sondern durch das zeit- und temperaturbedingte Zersetzen der Schaumstoffkaschierung im textilen Bezugsstoff. Bevor also der alte Bezugsstoff voreilig und mit aller Gewalt vom Himmel gerissen wird, ist tunlichst darauf zu achten, daß beim Entfernen die hartverdichtete Oberfläche nicht beschädigt wird. Geht man vorsichtig und akribisch vor (nicht schneiden! den Stoff keinesfalls von den offenen, äußeren Kanten zur Mitte ziehen!) liegt eine mit unzähligen Schaumstoffresten verunstaltete Oberfläche vor. Die Schaumstoffreste lassen sich mit Schleifpapier (40er bis 60er Korn) wegreiben. Achtung: nur Handbetrieb und ohne Schleifklotz, kaum Druck ausüben!
Die endgültige Beschaffenheit der Oberfläche ist abhängig von der Wahl des neuen Bezugsstoffes. Der Bezugsstoff muß lösungsmittel- und kleberesistent sein. Wählt man erneut einen kaschierten Stoff, braucht die Oberfläche der Schale nur mäßig erhebungsfrei zu sein. Wählt man beispielsweise dünnes Alcantara, muß die Schale völlig glatt geschliffen werden. Wichtig: der Bezugsstoff muß mindestens in eine Webrichtung dehnungsfähig sein, daher eignen sich keine Naturprodukte wie etwa Leder.
Nachdem die Oberfläche die erwünschte Ebenheit aufweist, kontrolliert man das Material auf Beschädigungen. Wahrscheinlich sind die Schalenkanten trotz vorsichtigen Arbeitens oder auf Grund von Himmelreinigungsprozessen des Vorbesitzers dennoch an einigen Stellen gebrochen. Hier hilft nur der Einsatz eines Zweikomponenten Epoxidharzklebers (in kleinen Tuben im Yachtzubehör). Wichtig: keine neuen Matten auflegen – nur tränken! Genauso läßt sich der schmale Steg vor dem Rückspiegeldurchlaß reparieren, falls er abgerissen oder gebrochen ist. Sollte die harte Oberfläche der Schale dennoch an einigen Stellen aufgerissen oder faserig sein, müssen die Stellen mit Kleber (Pattex aus der Dose und Pinsel) getränkt werden. Nicht wundern: das Zeug saugt den Kleber auf wie ein blutleerer Vampir. Nötigenfalls zwei dreimal wiederholen und wichtig: vollständig aushärten lassen (min. 8 Stunden!) Man ahnt jetzt bereits, wie zeitaufwändig die ganze Angelegenheit wird... Zum Schluß absaugen oder aber mit Paketband entfusseln (staubfreies arbeiten).
Das Aufkleben übt man am besten an den kleineren Diagonaltraversen. Stoff großzügig zurechtschneiden und mit Furnierklammern an den Kanten fixieren. Als Kleber empfiehlt sich Pattex (nur aus der Dose!!!), das mit einem schmalen und langen Borstenpinsel beidseitig aufgetragen wird. Wichtig: Immer nur in schmalen Streifen vorarbeiten – nicht übermütig werden. Mehr als max. zehn Zentimeter schafft man nicht am Stück! Ist der Bezugsstoff sehr dünn, sollte man auf Pattex Sprühkleber (nur den Temperaturresistenten verwenden!) ausweichen, da der Kleber beim Aufsprühen nicht durch den Stoff durchsuppen kann. Die angeblich verstellbare Sprühdüse kann man dabei ignorieren, da sie nach dem dritten Ansatz verklebt ist. Wichtig: gut vortrocknen lassen – min. 15Minuten je Arbeitsschritt- da der Kleber im flüssigen Zustand durch den textilen Stoff durchgedrückt wird!
Das Verkleben des Haupthimmels erfordert ein wenig Fingerspitzengefühl, da man punktuell keinen großen Anpressdruck auf den Träger ausüben kann, ohne Dellen zu hinterlassen. Am besten arbeitet man sich von der Rückspiegelseite ausgehend nach hinten vor. Immer von der Mitte nach außen wischen. In den Seitenrundungen hilft ein Tennisball beim Andrücken. Bei nur schwach dehnbaren Textilien kann es im Bereich der hinteren sphärischen Ecken zu Problemen kommen. Notfalls den Stoff diagonal mit einem Skalpell keilförmig einschneiden (sieht man nachher weniger als etwaige krause Stellen!) Alle Durchlässe erst ganz zum Schluß mit einem Skalpell aufschneiden. Zwei bis drei Tage durchlüften lassen – dann Einbau.
Die Kunststoffteile lassen sich hervorragend in allen Farben lackieren, wenn man sie gründlich säubert und vorher mit Ochsengalle (Maler- und Graphikzubehör) abreibt.
Nicht wundern: Der Sound der HiFi-Anlage klingt nach der Transplantation völlig anders, da jedes Material in der flächigen Größenordnung differenziert absorbiert und reflektiert. Aber dafür hat man wieder freie Sicht im Rückspiegel...
Und demnächst in diesem Kino: Für die Cabriofahrer! Wir bauen uns ein neues Verdeck