@turboflar
Um den Kfz-Steuer-Schwachsinn halbwegs nachvollziehen zu können muß man ein bisschen in die Geschichte blicken:
In den Kindertagen des Automobils war die Steuer für Kraftfahrzeuge eine reine Reiche-Leute-Steuer, weil sich kaum ein paar tausend Autos die Straßen Deutschland nutzten. Auch der Erwerb eines Führerscheins war zur Kaiserzeit etwa so kompliziert wie heute ein Hochseedampfer-Kapitänspatent, da musste neben technischem Verständnis und vollkommener Beherrschung des Fahrzeugs die Solvenz zum Ausgleich etwaiger Schäden und die charakterliche Eignung nachgewiesen und von Bürgen bezeugt werden. Manchmal denke ich das sollte man wieder einführen ;-)
Die Steuer wurde zuerst nach Pferdestärken bemessen, da man die pferdelosen Wagen den von Pferden gezogenen gleichstellen wollte. Sinn der Steuer war, daß Straßenneubau und Reparatur von Schäden und Abnutzung der Straßen und Wege von denen getragen werden sollte, die ihn verursachten.
Zur Ermittlung der „Steuer-PS“ gab es komplizierte Formeln mit Sitzplätzen, Gewicht, „vermuteter“ Motorleistung (richtig messen konnte der Fiskus das ja nicht) aber nach kurzer Zeit stellte man fest daß man damit nicht weiterkam und Steuervermeidung durch ein paar technische Tricks sehr simpel war. (In Frankreich gab es die Steuer-PS noch recht lange, die Modellbezeichnungen Citroen „2CV“ (Zweispänner) und Renault 4 (vier Steuerpferde) stammen aus dieser Zeit.) Als Abhilfe besann man sich auf die Hubraumsteuer, weil irgend ein schlauer Kopf festgestellt hatte, daß die Transportleistung des Fahrzeugs die vorher von den Steuer-PS erfasst werden sollte, sich grob anhand dem gut messbaren technischen Maß des Hubraums faustformeln ließ. Und in der Tat haut das ja schon ziemlich hin: ein 98 ccm-Motorrädchen für den Arbeiter verschleißt die Straßen in erheblich geringerem Maße als ein 1500 ccm-Auto mit einer Tonne Leergewicht und ein Laster (Diesel gab’s nicht in dem Umfang wie heute) braucht einfach ordentlich Hubraum um die Ladung vernünftig vom Fleck zu bekommen. Einen anderen Ansatz verfolgte man in Großbritannien, wo die Steuer zeitweise nach der Anzahl der Räder zu entrichten war, ein Zweirad halb so viel wie ein vierrädriges Auto (mehr Räder = mehr Straßenverschleiß). Daher auch die sonderbaren Threewheeler, sozusagen Steuersparmodelle.
Die emissionsabhängige Steuer wurde in den achtziger Jahren entwickelt. Während andere Länder einfach ab bestimmter Erstzulassung die Einhaltung von schärferen Grenzwerten verlangten konnte das waldsterben-hysterische Deutschland es nicht so einfach machen. Die unterschiedlichen Steuersätze sollten zum schnellen Umstieg auf Katalysatortechnik anreizen – und das Ziel wurde auch erreicht. Selbst die europäischen Nachbarn wurden mitgezogen, einerseits weil sie ja auch Autos verkaufen wollten (da gab es sogar eine 1400 ccm-Grenze am Anfang) und andererseits weil die deutschen Urlauber überall Bleifreisprit tanken wollten.
Die aktuelle emissions- und hubraumabhängige Steuer hat natürlich einen lenkenden Effekt: die Industrie hat starke Anreize aus möglichst wenig Hubraum viel Leistung und gute Abgaswerte zu holen und damit in Produkttechnologie zu investieren. Die Konsumenten dagegen haben einen Anreiz möglichst steuergünstige verbrauchsgünstige, hubraumschwache und emissionsarme Wagen zu kaufen. Im Sinne des sparsamen Umgangs mit Rohstoffen und möglichst geringer Belastung mit Schadgasen sicher kein schlechter Ansatz. Verstärkt wird dieser zweite Effekt durch die hohe Besteuerung von Treibstoff, der Druck zur Verbrauchsminderung kommt also von zwei Seiten, insofern ist es eine Milchmädchenrechnung, daß sich der fixe Kfz-Jahressteuerbetrag erst mit vielen Kilometern „amortisiert“.
Zur Steuererhebung wäre es natürlich einfacher, die ganze Steuerlast auf die Mineralölsteuer zu packen. Allerdings wären die Anreize zu Emissionsminderung weg, denn ob ich die Plörre in einen katlosen Vergasermotor oder in ein Euro 4-Auto kippe wird durch die Mineralölsteuer nicht erfaßt. So in etwa wäre natürlich auch die Argumentationslinie der Autoindustrie : - ) (-> Im übrigen habe ich als Kind noch die vierspurigen Einfallstraßen in Stuttgart in den „goldenen“ siebziger Jahren erlebt. Ruß, Dreck, Gestank, dunkelgraue Häuserfassaden, Luft zum schneiden, man konnte kaum atmen, die Botanik rechts und links auf zehn Metern verseucht. Der Unterschied zu heute ist so kraß, das kann man gar nicht in Worte packen, liebe Kiddies)
Aber einen anderen Effekt darf man auch nicht unterschätzen: Stell’ Dir vor die ganzen Saisonkarren stehen auf einmal auf der Straße, weil eine Saisonzulassung uninteressant ist. Die ganzen Wohnmobile parken die Städte voll, weil es keinen Sinn mehr macht das Zeugs im Winter auf Privatgrund wegzuräumen. Parkplätze und Gehwege sind zugepflastert mit abgedeckten, eingeschneiten Motorrädern. Deine Nachbarn fluchen, weil Deine siebenundzwanzig nicht fahrbereiten, aber zugelassenen Saab-Leichen das ganze Viertel blockieren. Oder schlimmer: die halten dagegen und der Trend zum Fünft- und Sechstwagen boomt. Örks. Einen milden Vorgeschmack auf dieses Szenario kann man übrigens bereits beobachten: Weil Anhänger so leicht besteuert sind sieht man allenthalben so 400kg-Hänger mit Werbebeschriftung herumstehen und Parkplätze blockieren. Ganz einfach weil das billiger ist als ein Plakat an der Litfaßsäule !
Das Beispiel erklärt wofür der fixe Jahressteuersatz auch noch da ist: Es ist eine Abgeltung für die Nutzung des (schließlich von der Allgemeinheit – also von mir und Dir - aus Steuermitteln bezahlten) Straßenraums. Und das ... ist auch gut so ! :-)
Amen
Hardy