Ich war 12 Jahre als Meister in einer freien Werkstatt mit Reifenhandel. Zuerst war der Reifenhandel, der sich zur "richtigen Werkstatt" mausern sollte.
Als ich dort begonnen habe, musste ich in den ersten 4 Monaten nur Reklamationen abarbeiten, die mein Vorgänger verbockt hatte.
Dabei musste ich dann feststellen, daß die beiden Monteure zwar einen Mechaniker-Gesellenbrief hatten, aber zu Gummi-Bären mutiert waren. Reifen keulen war ihr Ding, denn dabei muß man ja nicht viel nachdenken. Es verging kaum ein Tag, wo ich nicht schimpfen musste. Also sehr unbefriedigend, weil ich selber schrauben musste.
Das war nicht so geplant und auch nicht von mir gewünscht, ließ sich aber nicht kurzfristig ändern.
Im Laufe des ersten Jahres haben wir also nach "fähigen Gesellen" gesucht und auch irgendwann zwei frische Gesellen eingestellt. Die haben Beide freiwillig wieder aufgehört, weil die "alten Gesellen" die Jungs auflaufen ließen. Stress ohne Ende, also kein gutes Klima.
Dann habe ich den Spieß umgedreht und dem ältesten der beiden Gesellen nur noch anspruchsvolle Arbeiten zugewiesen. Zahnriemen beim Audi A6 mit V6-Motor...oder Zylinderkopfdichtung am 6-Zylinder BMW320i, usw. Damit war er überfordert und hat dann irgendwann einen langfristigen Krankenschein eingereicht, wegen verschlissener Schulter, und nach 6 Wochen hatte er gekündigt. Der Zweite Geselle wurde geschmeidig und freute sich über jede anspruchsvolle Arbeit, denn das Reifenkeulen ist echt nur was für Doofe, die ihr Gehirn nicht anstrengen wollen. Im Laufe des zweiten Jahres hatte ich dann endlich 3 Gesellen und einen Hilfsarbeiter, die ihren Job ganz ordentlich machten. Ein Altgeselle, 57 Jahre alt, fast immer bei Mercedes gearbeitet. Der konnte DB aus dem Schlaf. Ein Geselle kam von VW und der dritte von Renault...Beide junge Kerls ohne Erfahrung. Was ja nicht schlimm ist. Irgendwann sind wir alle bei 0 angefangen.
Es funktionierte jedenfalls ganz gut. Wenn irgendwas schwierig wurde, dann wurde ich gerufen...bevor was kaputt gemacht wurde. Soweit okay.
Es wurde leider nur schlimm, wenn ich für 3 Wochen in Urlaub gefahren bin und die Jungs allein waren. Denn ich wusste ganz genau, daß garantiert irgendwas in dieser Zeit in die Hose gehen würde. Mal weniger, mal mehr, von Komödie bis Tragödie war quasi alles möglich.
Lustig: Ein Suzuki Jimmy wird gebracht, weil die Hupe völlig unmotiviert von selbst beginnt, zu hupen. Was wurde gemacht?...eine neue Hupe eingebaut.!!!
Da fragt man sich ernsthaft, was sich die Jungs dabei gedacht haben. (war ein Kabel durchgescheuert und lag an Masse. Und wenn es regnete lief Wasser genau dorthin und die Hupe bekam Spannung) Da aknn man ja noch drüber lächeln.
Tragik: Motor an einem BMW 320i mit Automatik getauscht. Danach Miß-Geräusche aus dem Getriebe. Die Jungs wussten nicht mehr weiter und haben den Wagen bei der ansässigen BMW-Vertretung vorgestellt, zum Horchen. Antwort vom BMW-Meister: Kommt schonmal vor. Schleisst sich ein.
An meinem ersten Arbeitstag wurde das Fahrzeug per ADAC eingeschleppt. Geräusch war weg...aber der Vortrieb auch.
Ich habe dann meine Gesellen befragt, wer denn da dran war und wer was gemacht hat, usw. Hatte schon was von Kreuzverhör, denn die Jungs wollten sich nicht gegenseitg in die Pfanne hauen.
Also den Wagen auf die Bühne, Getriebe ausbauen. Und dabei wurde dann der älteste Geselle gesprächig, als ich mit ihm allein war. Da war beim Ausbau des Getriebes der Drehmomentwandler herausgerutscht. Und den haben sie wieder auf die Verzahnung geschoben. Aber beim Einbau fehlten zwischen Motor und Getriebeglocke noch ein paar Millimeter, die nicht rutschten. Also per Gewalt mit den Schrauben an den Motor herangezogen.
Ab da schwante mir Böses...und sollte sich auch bewahrheiten. Drehmomentwandler ausgebaut und mal da hinein geguckt. Alles voller Späne, weil die Ölpumpe nicht in dem Mitnehmer saß, sondern durch Anpressdruck mitgenommen wurde. Die Pumpe hat es dann irgendwann zerlegt, Getriebe war dann mal Edelschrott.
Wurde dann auf Kosten der Werkstatt gegen ein gebrauchtes Getriebe für 600€ getauscht. Also insgesamt nur Geld dazugelegt und nix verdient, aber 3 Tage hat ein Mechaniker dran gearbeitet.
Dann hatte ich endlich mal einen jungen Gesellen gefunden, der einen ordentlichen Eindruck machte und auch recht pfiffig war. Der hat nach 2 Monaten gekündigt, weil er einen Platz an der Fach-Hochschule in Aachen bekommen hatte.
Danach einen jungen Gesellen, der ebenfalls einen guten Eindruck machte und auch ein ordentliches Zeugnis.
Bis zu dem Tag, wo er eine AHK anbauen sollte und natürlich auch verkabeln.
Die AHK war schnell montiert. Aber der Kabelsatz dauerte und dauerte...es ging schon auf Feierabend zu und der Kabelsatz war immer noch nicht angeschlossen.
Die Antwort auf meine Frage, warum er die paar Strippen immer noch nicht angeklemmt hätte, hat mich fast aus den Latschen gehauen.
Der Junge ist farbenblind und kann daher die Kabelfarben nicht wirklich unterscheiden.
Ein Kollege hat danach den Kabelkram schnell montiert und ich hatte anschliessend ein Gespräch mit dem jungen Mann.
Er hatte sein Handicap verschwiegen, weil er dachte, daß er sonst den Job nicht bekommen würde. (womit er auch recht hat) Aber er hat nicht damit gerechnet, daß er direkt in den ersten Tagen damit auffliegen würde. Er hatte also schon ab der Mittagspause Bauchschmerzen wegen dem Kabelkram.
Ich habe ihn also behalten. Solang es noch Kollegen gibt, die nicht farbenblind sind, ist soweit noch alles machbar.
Jetzt soll mir mal jemand erzählen, wie ein "Meister" mit 25 Jahren Lebensalter, grade mal 1 Jahr älter wie ein frischer Geselle, damit umgehen soll.
Und der Job des "Meisters" ist alles andere, wie lustig. Prellblock zwischen Werkstatt-Crew und Geschäftsleitung, Blitzableiter für ärgerliche Kunden, und immer mit einem Bein im Knast, sobald ein Rad laufen geht, weil nicht festgezogen.
Für dies alles...ist der Job viel zu schlecht bezahlt...also auch nicht erstrebenswert.