Oder wie sagte es letztens ein SAAB-Bekannter:
"Dieser 902... wie ein rundgelutschtes Bonbon. Den 901 mit Ecken und Kanten genommen, drauf rumgelutscht, und dann wieder ausgespuckt."
Welchen 900 hätte man da bitte in den Mund genommen?
Ich finde, dass es DEN klassischen 900 in der Form gar nicht gibt. Mal viel Chrom, dann viel Schwarz, Airflow, diverse Scheinwerfer- und Grill-Kombinationen, Steil- und Schrägnase. An der Grundkarosse ändert sich zwar wenig, aber die Anbauten prägen den Charakter für mich dahingehend, dass es sich einmal um einen veritablen Oldtimer handelt, mit anderem Zierrat ist er dann gerade wieder "nur" ein Youngtimer. Von den technischen Varianten mal ganz abgesehen. Kurz: Der 900 war in seiner enorm langen Bauzeit einigen Änderungen drastischen unterworfen, die den vermeintlichen Charakter durchaus auch zu verwässern verstanden haben bzw. gar nicht erst haben entstehen lassen. Nicht zuletzt das Facelift 87 zur schrägen Nase wird ja auch gern als Verunstaltung empfunden.
Gegenüber dem Ur-Modell von 78 waren die 93er mit Airflow-Kit schon rundgelutscht und zeitgeistigem Firlefanz unterworfen (bspw. Vent-Cover, Reflektorblende).
Das kontroverseste Element des 900II ist aber sicher nicht seine Seitenlinie, sondern sein Heck. Das unten sitzende Kennzeichen und die lackierte, später die Reflektor-, Blende zwischen den Leuchten war für einige sicher abschreckend, für andere anziehend modern (Zeitgeist!). Mit der Änderung beim Übergang zum 9³I ist dieses Element weggefallen und, meiner bescheidenen Meinung nach, wurde das Design damit zeitloser und gefälliger.
Das Problem des 900II ist weniger das Auto an sich, als vielmehr das Selbstverständnis von SAAB vs. GM (Entwicklungsziele), die Berichterstattung und die schon zuvor gerümpfte Nase der vorherigen 900-Fahrer. Die vermeintliche Unabhängigkeit und der gefühlte und gelebte Non-Konformismus des damaligen Eigner waren mit dem großen Konzern im Nacken gar nicht mehr möglich.
Damit kommen wir zu den Stückzahlen: Wie oben schon festgestellt, gewinnt der 900 absolut, jedoch muss man das Verhältnis zur Bauzeit sehen und beim 900II fairerweise den 9³I addieren. Siehe da, man erhält ähnliche Ergebnisse. Dass der 900 fertigungsseitig aber im Prinzip noch aus den 60er Jahren stammte und somit in seiner Bauzeit höchstens anfangs kostendeckend gefertigt werden konnte wird ihm, wie auch der Automobilsparte von SAAB, Ende der 80er zum Verhängnis: Die Verluste sollten nicht länger aufgefangen werden, GM übernahm.
Insofern war ein Entwicklungsziel des 900II unter anderem die Stückkosten zu drücken. Partiell hat sich diese Stückkostensenkung auch auf den Preis ausgewirkt: Der 900II war günstiger als sein Vorgänger. Dass GM damit Marktanteile gewinnen wollte, war - zumindest für Europa - ein klassischer Trugschluss (in den USA mag das so funktioniert haben). Das Auto war nun weniger exklusiv, die Opel-Händler wollten nicht, sollten aber... der ganze Auftritt bekam Schlagseite.
Wie gesagt: Die Stimmung zu und um das Auto herum war und ist meiner Meinung nach ein größeres Problem als die Qualitäten des Autos selbst. - Der Mensch ist subjektiv und bleibt es auch. Dass man dies in Deutschland und beim Thema Auto insbesondere gern anders sieht... nunja... deshalb führen wir diese Diskussion. Und auch das nicht zum ersten Mal.