Zum Friction Tester
WELT online 24-03-2007
Zitat:
Dieser Saab hat das fünfte Rad am Wagen
Autos haben normalerweise vier Räder, doch auf vielen Flughäfen dieser Welt rollen Saab-Modelle, die mit fünf Reifen gleichzeitig Kontakt zum Asphalt haben. Die Sache ist kein Schabernack, sondern ein lebenswichtiger Service für alle Fluggäste.
Vielflieger bekommen ihn mit etwas Glück auf dem einen oder anderen Flughafen dieser Welt schon mal zu sehen: einen in auffälliger Warnfarbe lackierten Saab 9-5 Kombi oder einen älteren 9000 CS mit fünf Rädern, der mit fast 100 km/h über die Rollbahn flitzt, an deren Ende wendet und die gleiche Strecke wieder zurückkommt. Das fünfte Rad, in Fahrzeugmitte hinter der Hinterachse montiert, ist keineswegs der Prototyp eines neuartigen Reserve- oder Notrads, sondern auffallend klein und mit einem 8-Zoll-Reifen bestückt, wie man sie üblicherweise am Fahrwerk von Jets findet. Und den fünfrädrigen Saab gibt es auch nicht beim Händler: Das fast eine Viertelmillion Euro teure Spezialfahrzeug heißt Saab Friction Tester und dient auf fast allen Kontinenten, teilweise schon seit Jahrzehnten, zum Messen des Reibwerts der Rollbahnen von Verkehrsflughäfen. Im Winter übernimmt es die Aufgabe des Eisspions.
Steht ein auffällig lackierter Saab ohne Nummernschild auf einem Flughafen, dann ist er zuständig für die Berechnung des Bremswegs der Flugzeuge
Unter einer Klappe im Kofferraum ist das Messrad verborgen. Es wird auf die Landebahn abgesenkt und kann den Reibwert des Asphalts bei jeder Wetterlage feststellen
Das fünfte Rad ist ein hydraulisch absenkbares Messrad, das nicht frei über den Rollbahnbelag rollt, sondern zwischen 10 und 13 Prozent Schlupf hat. Bedeutet: Wenn der Wagen zehn Meter fährt, legt das Messrad 11 bis 11,30 Meter zurück. Ein Computer im Wageninnern verarbeitet die von Sensoren und einem Impulsgeber ausgehenden Signale und zeichnet die Messdaten auf. Die bei konstant 96 km/h registrierten Reibwerte werden per Funk an den Tower weitergeleitet, der bei glatter Fahrbahn anfliegende Piloten rechtzeitig vor drohenden Bremswegverlängerungen warnen kann. Gebaut wird der Friction Tester von zwei schwedischen Spezialfirmen auf Basis unterschiedlicher Saab-Modelle, vor Jahrzehnten beginnend mit dem legendären Saab 99 über dessen Nachfolger 900 und 9000 CS bis zum aktuellen Saab 9-5.
Geistiger Vater der Idee, mit einem Auto ein fahrendes Flugzeug zu simulieren, war 1946 der Osloer Flughafenmanager Ottar Kollerud. In aufwändigen Versuchen hatte er herausgefunden, daß ein mit Sand beladener Lastwagen, der bei 30 km/h eine Vollbremsung hinlegte, einen etwa halb so hohen Verzögerungswert wie eine landende Douglas DC-4 erzielte. Aus diesen Ergebnissen ließen sich ungefähre Anhaltwege des Flugzeugs bei unterschiedlich glattem Fahrbahnbelag errechnen - nur über den Daumen und auch noch ohne Computerprogramm. Doch es erwies sich: Wenn der Bremsweg des Lkw bei Regen oder Schnee um den Faktor X wuchs, dann galt dasselbe für die Verlängerung des Flugzeugbremsweges.
Vor allem zur Winterzeit gehörte fortan der Sand-Lkw zum Sicherheitsinstrumentarium auf skandinavischen Flughäfen. Den im Prinzip gleichen Job, nur wesentlich präziser und feinfühliger, übt heute weltweit eine Armada von fast 500 mit modernster Elektronik vollgepackten Saab Friction Testern aus. Nicht nur in Frankfurt, wo sie gleich als Trio auftreten, oder Berlin, Hamburg, München, Düsseldorf, Dresden und Leipzig, sondern auch in nahezu allen europäischen Ländern ebenso wie in China, Japan, USA, Abu Dhabi oder Thailand.
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Der VEBEG-Preis für den 9000er ist für einen Friction Tester sehr günstig, denn es handelt sich um ein hochwertiges Spezialfahrzeug. Ein normaler Saab-Fahrer kann mit dem Auto nichts anfangen.
Hier auf dem Münchner Flughafen fährt ein gelber 9-5er in dieser Rolle herum.