Servus, ich schon wieder...
Die Autos gibts noch, allerdings seit Herbst nicht mehr im Ländle sondern wieder in Franken. Genauer gesagt im Würzburger Umland.
Beim 9-3 hab ich vor 2 Jahren die vorderen Buchsen gemacht, vom Kollegen mit dem ich zusammen unsere Garage miete wurde ich zu PU-Buchsen ermutigt und habe das mal ausprobiert. Ich fand es lohnend hierzu mal einen Erfahrungsbericht zu schreiben. Gibt zwar schon einige, aber vielleicht interessiert es trotzdem jemanden.
Kurzes Fazit für die, die nicht so viel lesen wollen:
Für ein Sonntagsfahrzeug, mit dem man zügig auf Landstraßen unterwegs sein will kann man das durchaus machen. Die Rückmeldung und "Zielgenauigkeit" wird tatsächlich merklich besser.
Bei mir ist das Auto ein Alltagsfahrzeug, da steht der Komfort im Vordergrund. Und da gibt es schon Einbußen. Geflickte Straßen an sich sind erstaunlicherweise noch gar nicht so schlimm. Heftig sind tiefe Querfugen wie z.B. an Autobahnbrücken und auch Kopfsteinpflaster (da wird es vor Allem deutlich lauter im Auto als zuvor).
Ich würds nicht mehr machen und werde bei nächster Gelegenheit zurückbauen, letztendlich würde ich aber sagen dass es Geschmackssache ist. Der eine oder andere mag durchaus glücklich werden mit PU-Buchsen.
Ausführlichere Version:
Was ist die Ausgangssituation?
Serienmäßiger 9-3 5-Türer ohne irgendwelche Versteifung / Tieferlegung aus dem Zubehör.
Von Werk aus ist ein "Sportfahrwerk" verbaut, was immer das genau heißt (es ist nicht das tiefere Aero-Fahrwerk). Der Stabi an der Vorderachse hat 26mm Durchmesser.
Stoßdämpfer sind vorne und hinten Sachs Touring Sport, Vorne 5 Jahre / 25000km alt, hinten 7 Jahre / 35000km alt.
Gefahren wird das ganze im Winter auf 185/65 R15 und im Sommer auf 205/50 R16.
Warum überhaupt?
Zwei Dinge störten mich am 9-3 Fahrwerk:
1. Das enorm schwammige Fahrverhalten; das war zum Teil einfach auf Defekte Buchsen zurückzuführen. Als ich das Auto 2013 gekauft hatte war das noch nicht so sehr schlimm aber eben auch nicht besonders gut im Vergleich mit anderen Autos.
2. Die recht heftige Empfindlichkeit, mit der das Fahrwerk auf Längsrillen reagiert und in die verschiedensten Richtungen zieht. Besonders mit den 16" Sommerreifen.
Punkt 1 wird eindeutig besser. Ich behaupte auch besser, als mit den noch intakten Gummibuchsen. Ein Sportwagen wird aus dem 9-3 natürlich nicht, aber die Rückmeldung in schnell gefahrenen Kurven ist wirklich gut und das Auto fuhr nachher auch wieder in die Richtung, in die man gelenkt hat, ohne allzu viel Eigenleben.
An Punkt 2, der mir eigentlich noch wichtiger war, hat sich praktisch nichts geändert.
Abgesehen davon war auch die einfachere Montage ein Argument, das mich letztendlich zu der Entscheidung gebracht hat.
Was wurde genau gemacht?
Der einfachheit halber verweise ich hier mal auf das Schaubild von Powerflex:
https://www.powerflex-deutschland.de/Road-Series/Saab/9-3--1998-2002-/
Es wurden alle Buchsen an der Vorderachse, plus die Gummis, mit denen das Lenkgetriebe an die Spritzwand geschraubt wird, neu gemacht. Alles aus PU mit Ausnahme der Buchse in der Querlenkerstütze Nr. 3, siehe weiter unten.
Es gibt zwei Hersteller für den 9-3: Powerflex (in zwei verschiedenen Härten) und ProParts Sweden (das sind die blauen, die u.a. bei Skandix und Schwedenteile vertrieben werden). In der Annahme, die ProParts Buchsen seien weicher, hab ich die genommen wo verfügbar, für den Rest die (violetten) Powerflex. Damit ergibt sich folgende Aufstellung:
Nr. 1 und 5: ProParts / 90 ShoreA
Nr. 2: ProParts / 75 ShoreA
Nr. 3: Meyle Gummibuchse
Nr. 4, 6, 7: Powerflex / ~75...80 ShoreA
Die Teile
Da ich mir einen Härtetester von meinem Vater stibizt hab, konnte ich die Buchsen mal messen. Zu meinem Erstaunen verwendet ProParts offensichtlich zwei unterschiedliche Materialien an unterschiedlichen Stellen. Die innere Buchse am Querlenker (Nr. 2) ist weicher als der Rest (Nr. 1,3,5).
Könnte man meinen die haben sich was dabei gedacht... Oder die nehmen einfach das Material was grad billiger ist, keine Ahnung. Für mich hätte es mehr Sinn ergeben, wenn die große Buchse zur Querlenkerstütze hin weicher wäre...
Ansonsten machen die ProParts Teile - obwohl deutlich günstiger - einen wertigeren Eindruck als die Powerflex-Buchsen. Die haben recht unschöne Formtrennungen und viele Lunker, die sich bei der Härtemessung auch bemerkbar machen - misst man an verschiedenen Stellen streuen die Werte verhältnismäßig stark. Allerdings hinkt der Vergleich hier vielleicht ein bisschen, die ProParts sind alles normale, runde Buchsen, die Powerflex Formteile.
Schön: Die Stabibuchsen von Powerflex haben innen eine Struktur für das Fett. Die ProParts Buchsen sind alle einfach glatt.
Montage
Mein Vorgehen war wahrscheinlich etwas unkonventionell, aber hat gut funktioniert:
Der Hilfsrahmen wird komplett herausgeschraubt und von den Querlenkern, dessen Stützen und den Stabilisatorgelenken getrennt. Die Buchsen in den Querlenkern können dann im Fahrzeug gewechselt werden, die Querlenkerstützen können einfach herausgeschraubt werden. Das ganze mit am Radträger montierten Querlenkern und Querlenkerstützen (die müssen zuerst wieder dran, sonst kommt man nicht mehr an die Schraube zum festziehen) wieder zusammen zu bringen ist etwas fummelig, vor allem wenn man alleine ist. Aber es hat funktioniert.
Mit dem beiliegenden, sehr klebrigen Silikonfett habe ich alle Kontaktflächen eingefettet, also nicht nur die zwischen Innenhülse und Buchse. So wars in der Montageanleitung gestanden...
Die Passgenauigkeit aller Buchsen war gut, mit einer Ausnahme: Die Aufnahmebuchsen der Stabilisatorgelenke (Nr. 5). Deren Durchmesser ist kleiner als die Gummibuchsen, was noch nicht schlimm ist. Aber der Bund ließ sich nicht in das Loch quetschen, in den er rein gehört. Hier musste ich eine Fase dremeln.
Die Lenkgetriebebuchsen sind einfacher zu montieren. An den rechten Halter kommt man direkt ran ohne etwas zu demontieren. Für die Linke Buchse muss das Rad ab, da man sonst an eine Schraube nicht rankommt, und der Sicherungskasten gelöst und zur Seite gedrückt werden. Zu beachten ist, dass der linke Halter zuerst festgezogen werden muss, der ist für die Führung Quer zur Fahrtrichtung verantwortlich. Erst danach wird die rechte Buchse festgezogen.
Was aufgefallen ist
1. Stabibuchsen (Nr. 4):
Die Originalen Gummibuchsen in denen der Stabilisator geführt wird (Nr. 4) habe ich mit rund 85 ShoreA gemessen, d.h. härter als die normalen PU-Buchsen von Powerflex. Wer hier also tatsächlich härteres will muss auf die schwarzen "Black Series" von Powerflex zurückgreifen.
2. Gelenkbuchsen der Querlenkerstrebe (Nr. 3):
Nachdem ich die Konstruktion vor mir liegen hatte, wollte ich da keine PU-Buchsen mehr haben und hab mir stattdessen normale Gummibuchsen nachbestellt.
Grund:
Die Buchsen stehen senkrecht im Auto, d.h. bei jeder Federbewegung müssen die sich nicht unerheblich verdrehen können. Die Gummibuchsen können das aufgrund ihrer "Pilzform".
Die PU-Buchsen haben aber oben und unten einen "Ring", der die Querlenkerstütze ziemlich stramm einspannt und genau das verhindert. Bedeutet, beim Federn kann sich die Querlenkerstütze nur noch über die Elastizität des PU nach oben und unten kippen. Das wird enorme Kräfte auf den Hilfsrahmen (wo die Buchse drinsitzt) und die Querlenkerstütze verursachen. Gerade der Hilfsrahmen ist an der stelle einseitig offen und auch nur aus 3mm Blech, keine Ahnung ob der das auf Dauer mitmacht...
Ist nicht so ganz einfach zu erklären, aber wenn man davor sitzt wird es denke ich klar was ich meine
.
Dazu kommt noch, dass ich den eigentlich erwünschten Effekt, nämlich die härtere Führung in Fahrzeugrichtung, bezweifle. Ich hab mir den Spaß gemacht die alte Buchse zu sezieren:
Das ist quasi eine Stahlkugel mit nur 5-6mm Gummi drauf. Wie dick ist die PU Schicht dieser Buchse? Weiß grad nicht aber 15mm werden es schon sein. D.h., damit die PU-Buchse genauso "steif" ist wie diese olle Gummibuchse, müsste das Material mindestens 3x so hart sein.
Ich würde gute Gummibuchsen verbauen oder - wenn es unbedingt härter sein soll - dann Uniball-Gelenke wie sie z.B. Abbott Racing anbietet:
https://www.abbottsaab.com/product/stainless-steel-subframe-brace-saab-9-3/
Die haben dann gar keine Gummischicht mehr, aber verdrehen sich leicht beim Einfedern.
Die Er"fahr"ungen
Einiges steht oben schon in der Kurzfassung. Querfugen auf der Autobahn sind kein Spaß, auch Kopfsteinpflaster oder andere hochfrequente Anregungen nicht. Das ist auch relativ unabhängig von den gefahrenen Reifen (15" oder 16"). Auf (möglichst guten) Landstraßen hat die direktere Reaktion auf Lenkbewegungen und die bessere Rückmeldung aber schon was. Mir persönlich wird das aber auf schlechten Straßen zu rumpelig. In geflickten 30er-Zonen merkt man den Unterschied noch nicht so sehr, aber je schneller man fährt, desto deutlicher wird der Komfortverlust (vor allem Betonautobahnen sind ein Graus). Mindestens die Buchse an der Verschraubung zur Querlenkerstütze (Nr. 1) werde ich wieder auf die originalen (ölgefüllten) Gummibuchsen wechseln.
Die Buchsen waren jetzt 2 Winter drin, ohne dass ich was daran machen musste. Positiv: Das Fett ist offensichtlich noch da wo es sein soll, nichts quietscht oder macht sonst irgendwelche Geräusche.
So, das war jetzt wieder sehr ausführlich
. Vielleicht hilfts trotzdem dem ein oder anderem. Auch wenn es natürlich alles nur subjektive Einschätzungen sind.
Beste Grüße,
Patrick