Habe meinen Retrocycle-Post noch wiedergefunden. Aktuell stehen hier 1150 km auf der Uhr, das Rad sieht wesentlich schmutziger aus als auf dem Foto direkt nach der Fertigstellung (mehr Bilder wer möchte im Album
http://www.saab-cars.de/gallery/albums/bikes.47/ ). Bei dem wechselhaften Wetter fehlt mir aber jegliche Motivation zum Putzen.
Etwa Oktober/November stehen 1500 km zu Buche, dann ist mal eine große Inspektion fällig mit Einstellungs-/Nachstellungsarbeit und einer neuen Kette. Und dann wird auch mal ausgiebig geputzt...
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Es ist endlich vollbracht, das Retrocycle ist fertig. Das ganze Projekt gestaltete sich wesentlich steiniger als gedacht. Bislang habe ich ja nur bereits existierende Serienräder zerlegt und wieder neu aufgebaut. Diesmal aber habe ich vom Konzept über die Komponentenauswahl bis zur Montage und Einstellung alles selbst gemacht, bin also quasi mit einem weißen Blatt gestartet.
Das Rad war als schneller und trotzdem komfortabler Allrounder zum Pendeln und für Fahrten in der Stadt gedacht, es sollte also eine Art Cross-/Fitnessbike mit gekröpftem Flatbar, Schutzblechen und Gepäckträger werden. Ich wollte MTB-Komponenten verbauen, also waren 135 mm Hinterbaubreite und ca. 50 mm Kettenlinie sowie Ösen für Anbauteile und genug Freiraum für breite 28er Reifen plus Schutzbleche gesetzt.
Dann ging es los. Ich hatte noch eine relativ aktuelle Deore 9-fach-Kurbelgarnitur rumliegen, die ich mit etwas älteren Deore LX-Komponenten und XT-V-Brakes kombinieren wollte. Die Ausstattung sollte ausreichend solide aber nicht zu hochwertig sein, zum einen um die Kosten im Rahmen zu halten, zum anderen um weniger magnetisch auf Langfinger zu wirken. Hat schließlich nicht ganz so geklappt.
Als ich die Hollowtech II-Kurbelgarnitur mit den außen liegenden Lagern und Hohlachse montiert hatte, empfand ich sie als optisch überhaupt nicht zum Rad passend. Dazu fragte ich mich noch, ob es nicht bei der Lagerung sinnvoll sein könnte die Tretlagersitze plan fräsen zu lassen, davon hatte ich auch schon zuvor mal gelesen. Ich hakte bei Retrocycle nach und mein Ansprechpartner teilte mir mit, dass sie die Hollowtech II überhaupt nicht verbauen würden, weil die Shimano-Lager und baugleiche von SRAM/Truvativ der letzte Schrott seien, zu gelösten Kurbeln neigen und in der Tat penibel gefräste Lagersitze in einem Arbeitsgang mit nachgeschnittenen Gewinden erfordern. Patronenlager wären wesentlich unproblematischer, was sich auch mit meinen Erfahrungen deckt. Mit Patronenlagern hatte ich noch nie Ärger. Und das Hollowtech II Plastik-Innenlager machte in der Tat einen äußerst billigen Eindruck.
Ich erinnerte mich zudem an meinen Mountainbike-Aktivurlaub im Sommer, wo genau die Kurbelgarnitur an den MTB verbaut war und diese fast durch die Bank im Bereich Kurbel/Innenlager übelst geknackt haben bei jedem Tritt. Der Guide schob das auf die fehlende penible Ausrichtung der Lager, ich vermutete eher ausgeschlagene Pedalachsen, gelöste Kurbeln oder gelockerte Kassetten, meine bisherigen Beobachtungen bei Knackgeräuschen aus der Region. Also Internetrecherche betrieben und siehe da: Tretlagergefräse zwingend erforderlich und mindestens XT-Lager, besser noch teure Tuning-Lager anderer Hersteller, ansonsten nervtötendes Knacken durch Lagerdefekt schon nach wenigen Hundert Kilometern.
Fazit: Die Kurbelgarnitur wurde in der Bucht verkauft und ich entschied mich für das Schlachten des Cadex MTB und die Aufbereitung und Verwendung der klassischen 5-Arm XTR-Kurbeln in Verbindung mit einem 4-Kant-Patronenlager. Die Wahl fiel auf ein Token mit CroMo-Achse, Alu-Lagerschalen und Carbongehäuse, das mit 30 Euro preislich ganz in Ordnung war, einen hochwertigen Eindruck macht und relativ leicht ist. Sonst habe ich immer ein Shimano BB-UN 55 verbaut, das hochwertigste 4-Kant-Lager, was Shimano überhaupt noch im Programm hat. Es liegt aber „nur“ in etwa auf LX-Niveau und hat auf der einen Seite eine Plastikschale, kostet aber auch keine 15 Euro.
9-fach-kompatible Kettenblätter für den alten Shimano-Lochkreis gibt es noch neu. Jetzt gefiel mir das blau-graue, etwas klobige LX-Schaltwerk zwar für sich allein, aber nicht mehr in Verbindung mit den schlanken Kurbeln, Rahmenrohren und in Kombination mit dem blauen Lack, ähnlich ging es mir mit dem Umwerfer. Beim Schaltwerk war’s einfach: Hier habe ich das XTR-Schaltwerk des Schlachtrades aufbereitet und mit gedichteten Schaltröllchen für 9-fach versehen. Dass es ursprünglich für 8-fach vorgesehen ist spielt keine Rolle, da der Schwenkbereich groß genug ist und die Indexierung eh vom Schalthebel kommt.
Beim Umwerfer war es weitaus schwieriger, und dass hier so viele Fallstricke lauern hätte ich nicht gedacht. Hier gibt es die meisten Kompatibilitätsprobleme, da die Geometrie des Umwerfers gleichzeitig Kettenbreite, Kettenstrebenwinkel, Kettenlinie, Anzahl der Kettenblätter, maximale Kettenblattgröße und Zugweg pro Schalthebelklick berücksichtigt. Dass Schellendurchmesser (da gibt es aber auch Adapter) und die Richtung der Zuganlenkung stimmen müssen ist sowieso klar. Viele Umwerfer fallen da raus.
Ich wollte eine möglichst klassische Optik, am liebsten entweder mit dem XTR FD-M900, also aus der Serie aus der auch das Schaltwerk stammt, aber die werden als Down Pull mit 28,6 mm Schelle bei ebay zu horrenden Preisen gehandelt. Der vom Cadex abgebaute passte von der Zuganlenkung und dem Schellendurchmesser nicht. Der XTR wäre aber auch für 8-fach Kette gewesen und ob der Kettenstrebenwinkel gepasst hätte, da war ich mir auch nicht sicher. Dann hatte ich einen schönen klassischen aus dem Rennradbereich für Flat-Bar-Schalthebel besorgt, aber trotz Nacharbeiten schaltete das Ding partout nicht auf das große Kettenblatt, weil das Parallelogramm den Käfig nicht mehr weit genug nach außen bewegte. Da passte die Kettenlinie nicht zum Umwerfer.
Schließlich ging ich auf die sichere und günstige Option XT-Umwerfer aus dem Trekking-Bereich zurück, denn ich hatte keinen Bock mehr auf Experimente. Mit einer Adapterschelle und der neumodischen Zugführung plus insgesamt wenig klassischer Optik muss ich halt leben. Zur Gesamtoptik passt er aber.
Letztlich musste noch der Gepäckträger ca. 20mal montiert, wieder demontiert und nachgebogen werden bis er endlich mittig und gerade auf dem Rad saß.
Die erste längere Probefahrt verlief positiv: Gute Geometrie, dadurch angenehme Sitzpositon und ein Fahrverhalten mit einem guten Kompromiss aus Laufruhe und Wendigkeit. Erstaunlich ist auch der Komfort trotz fehlender Federung. Stahlrahmen und dünnes Sitzrohr sei Dank! Grundsätzlich gute Funktion der Komponenten, vor allem die Schaltung funktionierte super (ich hatte noch nie so satt und präzise rastende Schalthebel!). Die Bremsen quietschen noch trotz Bremsbelagtausch gegen Kool Stop und gepfeilter Einstellung. Das sollte sich aber noch „einschleifen“, so zumindest meine Erfahrung.
Abschließend noch die Komponentenliste:
Rahmen: Retrocycle Vorserienrahmen, nicht in Serie gegangene Roadaneer-Variante
Gabel: Retrocycle Roadaneer
Steuersatz: Trecora E
Innenlager: Token CroMo/Carbon
Kurbel: Shimano Deore XTR (FC-M900)
Kettenblätter: Specialites TA (28-28-48 Zähne)
Kette: Shimano CN-HG 73
Kassette: Shimano CS-HG 50 (12-25 Zähne)
Schaltwerk: Shimano Deore XTR (RD-M900 mit gedichteten Kugellager-Schaltröllchen von Tacx)
Umwerfer: Shimano Deore XT (FD-M773)
Schalthebel: Shimano Deore XT (SL-M770 3x9)
Bremsen: Shimano Deore XT Parallelogramm-V-Brake (BR-M760)
Bremshebel: Shimano Deore XT (BL-M770)
Naben: Shimano Deore XT (HB/FH-T780)
Speichen: DT Competition
Felgen: Mavic A319
Reifen: Conti Contact Extra Light
Vorbau: Syntace F139
Lenker: Procraft Tour 7050
Griffe: Ritchey WCS Moosgummi
Sattelstütze: Ritchey WCS
Sattel: Oxygen Havoc
Pedale: Contec Tour
Gepäckträger: Racktime Standit
Schutzbleche: Curana