Ich schalte mich jetzt auch mal in die Diskussion ein. Verzeiht mir, daß ich die Gelegenheit gleich zu einem kleinen Rundumschlag nutze.
Das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht stammt aber nicht aus der Herrschaftszeit unseres Lieblingsösterreichers, sondern ist noch wesentlich älter.
Daß daran nach dem zweiten Weltkrieg festgehalten wurde, hatte einen ganz einfachen Grund: Millionen Deutscher in den nun polnisch und russisch besetzten Gebieten. Gut, zu Beginn der Bundesrepublik waren das nicht mehr so viele, die meisten waren ja schon 44/45 vor der roten Armee geflohen. Trotzdem gab es auch in den Gründungsjahren der BRD nochhunderttausende Deutsche, die erst in den folgenden Jahren ihre Heimat mehr oder weniger freiwillig verlassen sollten.
(Es gibt in Schlesien übrigens immer noch ca 300.000 Deutsche. Bzw Polen, die aber weitgehend "assimiliert" waren und sich durchaus als Deutsche betrachtet haben, aber denen man aufgrund ihrer polnischen Vorfahren gnädigerweise nach '45 erlaubt hat, im Land zu bleiben. Ich hatte übrigens in Frankfurt (Oder) eine Komilitonin aus Breslau, die aus diesem Grunde auf die Frage nach ihrer Nationalität "Schlesierin" antwortete. "Polin" wollte sie sich nicht nennen, trotz polnischem Paß.)
Aber wie hätte man die behandeln sollen? Als Ausländer, weil ihre Heimat auf einmal "polnisch" sein sollte? Nein, selbstverständlich waren das Deutsche. Und ihre Kinder auch. Deshalb mußte Deutscher sein, wer von Deutschen abstammt. Das "Bodenrecht" konnte keine Alternative zum "Blutrecht" sein.
Und - jetzt werde ich etwas polemisch ;-) - kann es auch nicht sein, solange Ost- und Westpreußen, solange Schlesien besetzt ist.
(Und solange es auf dem Gebiet der ehemaligen Sojetunion Menschen gibt, deren Vorfahren zur Zarenzeit nach Rußland gezogen waren - und die sich heute noch als Deutsche sehen, wie sie auch dort als Deutsche gesehen werden.)
Am Blutrecht muß also weiterhin festgehalten werden. Aber es muß wesentlich leichter werden, Deutscher zu werden. Wer hier lebt, sich integriert, in die Gesellschaft einbringt und Deutscher werden will, der muß das auch können! Insofern ein guter Schritt der rot-grünen Zuwanderungspolitik, die Einbürgerungszeit zu verkürzen.
Wir dürfen aber vor lauter Multi-Kulti-Seeligkeit nicht übersehen, daß die Integration vielfach nicht funktioniert hat. Ich will nicht die sattsam bekannten Erklärungsmuster bemühen, die sollten jedem hier bekannt sein.
Ich möchte diesen noch einen möglichen Grund hinzufügen: Wie soll ich von einem jungen, testosterongeladenen Jugendlichen, für den Ehre und Stolz zentrale Begriffe sind, wie kann ich von dem erwarten, daß er sich hier inegriert, daß er Deutscher werden will, wenn sich die Deutschen ihrer Nationalität schämen? Wenn wir ihm vorleben, daß wir unser Vaterland nicht lieben und ehren, sondern uns selbst verachten, wie können wir dann von einem, der außer seinem Stolz nichts hat, wie können wir dann erwarten, er wolle so werden wie wir?
Auch unser nicht vorhandener Nationalstolz hat dazu beigetragen, die Integration zu verhindern.
(Abgesehn davon hat er wohl auch die insgeheimen Vorbehalte gefördert: Nur wer Achtung vor sich selbst hat, kann den anderen achten. Nur wer sich aufrichtet, kann dem anderen auf Augenhöhe begegnen. Und nur dann können wir wirklich offen sein. Wer dauernd eingetrichtert bekommt oder sich selber einredet, er sei der Nachfahre historisch einmaliger Verbrecher und potentiell genauso schlimm, der wird entweder alles Fremde toll finden müssen, oder er wird genau deshalb anfangen, das Fremde zu hassen. Vielleicht tut er sogar beides (ich kenne einige "linke" mit politisch sehr schizophrenen Vorstellungen).)
Insofern hat der ganze "volkspädagogische" Ansatz (die nennen das wirklich so - und noch schlimmer: meinen das auch. Sehr interessant der Historikerstreit der 80ger, in dem irgendwann als Argument für die Einzigartigkeit des Holocaustes gebracht wurde, selbst wenn das Gegenteil zuträfe, dürfe man das aus "volkspädagogischen Gründen" nicht öffentlich sagen. Welches Menschenbild steckt denn dahinter? Welche Menschenverachtung der selbsternannten Menschenfreunde.) der
Linken das Gegenteil seines Zieles erreicht: zwar ist der Rechtsradikalismus politisch nicht salonfähig, die politische Rechte aber auch im Zuge dessen auch maultot gemacht worden.
Zar ist man selbstverständlich weltoffen und fremdenfreundlich, aber Selbsthaß ist immer der Nährboden für Haß gegen den Anderen, ist immer DER Nährboden für Gewalt.
Ist es nicht interessant zu sehen, daß die radikale Rechte in Mitteldeutschland schwächer wird (oder zumindest den Ton mäßigt), seit Deutschland außenpolitisch selbstbewußter agiert? Seit sich auch die politische Mitte wieder zu unserem Land bekennt?
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Die vorhin geäußerte Auffassung, gewisse Auffälligkeiten südländischer Mitbürger seien eher ihrem sozialen Status als ihrer Ethnie geschuldet, teile ich übrigens völlig.
Nicht, daß ich plötzlich zum Marxisten würde, das Bewußtsein bestimmt das Sein, nicht umgekehrt!, aber eine gewisse Prägung dürfte die Umwelt doch der Psyche aufdrücken. Vergleicht man nämlich den Pöbel sowohl deutscher wie auch ausländischer Abstammung, stellt man nämlich, was Gewaltbereitschaft und Kriminalität betrifft, auf einmal doch Ähnlichkeiten fest. Nur leider gehören unsere ausländischen Mitbürger zum größten Teil zu den sozial weniger privilegierten Schichten unserer Gesellschaft, so daß man da sehr leicht dieser Scheinkorrelation aufsitzt.
Zur "Briefmarkendiskussion":
Wer hier lebt, aber kein Deutscher ist, ist Gast. Und als Gast bemüht man sich doch normalerweise, sich anständig zu benehmen.
Es wird doch niemand dem Gastgeber das Recht verwehren, einen Gast hinauszuwerfen, der die Gastfreundschaft mißbraucht.
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Ich habe in der Schule erleben können, daß Multi-kulti funktionieren kann: unser English-LK war (wie auch andere Kurse, aber bei Englisch war es am augenfälligsten) buntgemischt, wir hatten eine Ausländerquote, bei der jeder "Bildungsexperte" die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hätte. Eigentlich hätten wir nach dem allgemeinen Bild die absoluten Schulversager sein müssen. Trotzdem zählt meine schule zu den Besten der Stadt. Oder gerade deshalb?
Denn wir alle hatten eines gemeinsam: Ein Zuhause in der Mittelschicht.
Da kommt es dann ganz bestimmt nicht auf die Ethnie an, sondern auf das Bildungsniveau der Eltern.
Diese Erfahrung der Schulzeit möchte ich nicht missen: da war "mult-kulti" in der Tat eine Bereicherung. Da wir nicht um einen Grundkonsens kämpfen mußten, konnte jeder seine Sichtweise einbringen - und je nach Kulturkreis differenzierte die dann entweder leicht bis deutlich. Aber alle hatten auf ihre Weise "recht". Diese Erfahrun, daß man ein und dasselbe Problem völlig unterschiedlich sehen und bewerten kann, un ddaß man das vor allem unbewußt auch tut, ist sicher für einen heranwachsenden förderlich. Und wir haben jedes Mal auch etwas über unsere Klassenkameraden gelernt...
Ganz interessant übrigens, daß - das ist mein subjektiver Eindruck- die Eltern meiner ausländischem Mitschüler ein kleines bißchen erfolgreicher gewesen zu sein scheinen, ihren Kindern universale Werte zu vermitteln. nun weigere ich mich auch hier, daß an der jeweiligen Ethnie festzumachen. Hängt das vielleicht nicht stattdessen mit tendenziell intakteren Familienstrukturen zusammen?