Bio-Ethanol kann niemals CO2-neutral sein, da bei der Herstellung und dem Vertrieb zwangsläufig jede Menge Energie aufgebracht werden muss. Nur die Verbrennung selbst ist CO2-neutral, aber wenn bei der Gewinnung der Rohstoffe Raubbau an der Natur betrieben wird, ist das kontraproduktiv. Vorteil E85 ist aber, dass es zumindest umweltfreundlicher in Energie umgesetzt wird als herkömmlicher Kraftstoff.
CO2-Neutralität ist aber Augenwischerei.
Ethanol ist nicht gleich Ethanol - zumindest unter Umweltgesichtspunkten...
Ethanol aus brasilianischem Zuckerrohr liefert neun mal mehr Energie, als zur Herstellung benötigt wurde. Bei Ethanol aus einer nordamerikanischen Maismonokultur liegt der Faktor bei eins komma vier. Das ist natürlich nicht mehr wirklich sinnvoll... zumindest nicht unter Umweltgesichtspunkten. (Um den Klimaschutz geht - resp. ging, die Ethanolproduktion wurd schon unter Bush jr angekurbelt - es den US of A auch gar nicht, sondern um Sicherheitspolitik: Man will die wirtschaftliche wie militärische Verwundbarkeit, sie sich aus der Abhängigkeit von Ölimporten ergibt verringern.)
Für brasilianisches Zuckerrohr wird auch kein Regenwald abgeholzt - das wächst da nämlich gar nicht. Der Regenwald war früher bedroht durch aus dem Süden vertriebene Kleinbauern und durch Rinderzucht (letzteres Problem bekommt man gerade durch Zertifizierungssystem in den Griff - der erste-Welt-Konsument hätte gerne ein reines Gewissen, wenn er in sein Steak oder seinen Burger beißt) und derzeit vor allem durch Sojafarmen.
Brasilien hätte auch die Möglichkeit, die Anbaufläche für Zuckerrohr noch um ein vielfaches zu erhöhen - unter anderem durch Umwandlung von Weideflächen. Damit führt eine eine verstärkte Ethanolnutzung zunächst nicht zwangsweise zu erhöhten Preisen für Grundnahrungsmittel - die oft angeführte Gewissensfrage "Tank oder Teller" stellt sich in Wahrheit nicht!
Für den Preisanstieg bei Grundnahrungsmitteln in der Dritten Welt war, wie wir heute wissen, die ausgeweitete Ethanolproduktion nur zu einem geringen Teil verantwortlich (nämlich die Umwidmung der Maisproduktion in den USA) - der Großteil geht auf das Konto von Spekulanten. Ethanol war hier vielleicht Auslöser, aber nicht Ursache. Grundsätzlich wären aber steigende Getreidepreise kein wirkliches Argument gegen Ethanol als Kraftstoff, im Gegenteil! (Warum mittel- bis langfristig stark steigende Weltmarktpreise für Getreide das Beste sind, was hungernden Drittweltländern passieren kann, habe ich vor geraumer Zeit im e85-thread schon einmal erläutert.)
Schließlich gibt es zur Lösung des sich aus der Konkurrenz von Energiepflanzen und Nahrungsmittelproduktion perspektivisch entwickelnden Konfliktes eine Menge weiterer Möglichkeiten: durch künftige Herstellungsverfahren (bessere Asunutzung der Pflanze) wird der Energieertrag pro Hektar Anbaufläche in Zukunft stark steigen. In Schweden forscht man an der Verwendung von Holzabfällen. Auf deutschen Fabrikdächern findet man seit einigen Jahren die Plexiglasröhren der ersten Algenzuchtanlagen... Lösungsansätze gibt es viele!
Das Thema Ethanol als Kraftstoff fordert eine differenzierte Betrachtung.
Zur Glorifizierung als alleinigem Heilsbringer bestehet kein Anlaß -
zur pauschalen Verdammung aber erst recht nicht.