Da ich quasi etwas näher an den Italienern bin, 25 Jahre Chef des Lancia Club Vincenzo, habe ich das Ganze natürlich auch genauer beobachtet.
Fiat war mal ziemlich erfolgreich, dominierte den italienischen Markt und war zu Zeiten der 127, 128, 124 und 125 Importeur Nr. 1 in Deutschland. Fiat baute damals so gut wie alles, Personenwagen, Lastautos, sogar Düsenjäger und hing in allen mögliche Industriezweigen mit drin. Der größte Fehler war, sich zu sehr auf den Heimatmarkt zu fokussieren, die Exportgeschäfte nur so am Rande mitzunehmen. Klar, von Globalisierung war noch keine Rede, aber eigentlich haben die in Turin so gut wie jede Entwicklung verpennt. 1969 war Lancia endgültig pleite. Als der Senior starb, übernahm sein Sohn und verpulverte Geld in der Formel 1. Nach dem tödlichen Unfall Ascaris verschenkte man die Autos an Ferrari, die mit dem Lancia im Jahr darauf Weltmeister wurden. Aber es reicht nicht, gute Autos zu bauen (Lancia war in vielem Marken wie Mercedes überlegen), man muss auch mit den Finanzen umgehen können. So ging das Unternehmen an Pesenti, der das sinkende Schiff aber auch nicht flott bekam. Auf der einen Seite tolle Autos, technisch oft Vorreiter, auf der anderen Seite ein miserables Management. Der Ford-Konzern war an Lancia interessiert, was der italienischen Regierung überhaupt nicht gefiel. Man bedrängte den Agnelli-Clan geradezu , Lancia zu übernehmen. Fiat wusste noch nicht genau, was es eigentlich damit anfangen sollte. Der Lancia 2000 als letzte Evolutionsstufe der Flavia-Reihe war bereits fertig. Das Coupé wurde auf dem Turiner Salon ohne Firmenembleme gezeigt, weil man es evtl. auch als Fiat verkaufen wollte. Dann entschloss man sich, die 2000-er Serie und die Fulvia noch weiter zu bauen (bis 1974 bzw. 1975). Das waren hervorragende Autos, zumal Fiat daran nichts mehr verderben konnte. Parallel entschloss man sich, die Beta-Reihe zu entwickeln, was allerdings den über Jahrzehnte aufgebauten guten Ruf der Marke in kürzester Zeit zerstörte. Die ersten Betas waren eine derartige Katastrophe, dass man in GB sogar den Markt verließ. Erst später, ab ca. 1982 waren die Autos akzeptabel. Mit dem Delta, der von den Journalisten zum Auto des Jahres gewählt wurde, ging es aufwärts (in Schweden als SAAB 600 verkauft). Autobianchi wurde integriert, die letzten A112 kamen als Lancia. Der Y10 war wegen des revolutionären Designs zunächst etwas langsam in Gang gekommen. Wurde aber samt seinen Nachfolgern zum Renner. Was der Vincenzo nicht wollte, geschah nun zum 2. Mal: Sport. Mit Stratos (Ferrari-Motor), 037 und vor allem Integrale wurden die Rallye-WM-Titel in Serie eingefahren. Mit dem Dedra gelang ein ganz gutes Auto, aber der Thema (Koproduktion mit SAAB 9000 und Fiat Croma) war das erste italienische Auto, das in dieser Klasse richtig erfolgreich war. Es lief wirklich gut. Wegen der Luxussteuer in Italien über 2 l Hubraum, war man vor allem mit den Turbo-Modellen erfolgreich, während Mercedes und BMW mit eben dieser Steuer zu kämpfen hatten. Mitte der 90er Jahre war nun der Staatskonzern Alfa am Ende. Fiat übernahm nun Alfa und am Ende lag die gesamte italienische Autoindustrie (außer Lamborghini und Kleinstherstellern) in einer Hand. Die Importbeschränkungen für Nicht-EU-Länder und die Luxussteuer wurden abgeschafft. Fiat war immer noch auf den italienischen Markt fixiert und verpasste den Anschluss. Lediglich in Südamerika war man gut aufgestellt. Das Ganze gipfelte darin, dass sich zunächst GM beteiligte. Es ist immer witzig zu hören, wenn ein Opel Corsa - Fahrer sagt, er würde nie einen Fiat kaufen, dabei ist im Corsa mehr Fiat Punto als Opel drin. Fiat hatte im Dieselsektor einige bahnbrechende Entwicklungen gemacht, war aber zu ungeschickt, um es richtig zu vermarkten. Mit GM wurde ein Vertrag geschlossen, wonach 2004 die komplette Autosparte (außer Ferrari) 100% GM werden sollte. Es war eine milliardenschwere Konventionalstrafe eingebaut. 2004 war Fiat quasi am Ende, aber in den USA waren auch die großen 3 in Schwierigkeiten. Also zahlten die lieber die Strafe als sich auch noch Fiat ans Bein zu binden. Mit diesem Geld und drastischen Sparmaßnahmen zog Sergio Marchionne die Firma aus dem Sumpf. Da der 500 Prototyp so gut bei Presse und Publikum ankam, aber kein Geld zur Verfügung stand, wurde das zunächst gestoppt. Als aber Ford mit dem Ka sich beteiligte, kam der 500 schließlich doch noch und wurde zum Erfolg.
Leider hat man just mit der Übernahme Alfas den für Lancia erfolgversprechenden Weg verlassen. Wahrscheinlich war es beschlossene Sache, Lancia in Raten sterben zu lassen. In der obersten Etage gibt es auch Lancia-Anhänger. Aber die konnten sich nicht durchsetzen. Während Marchionne in einem Geniestreich Chrysler peu à peu übernahm, wo Mercedes kläglich scheiterte, wurden in Italien immer noch die gleichen Fehler begangen.
Man kommt immer irgendwie zu spät. Alfa konnte bis jetzt nicht wirklich überzeugen. Der 156 war toll, aber man baute nicht darauf auf. Der 159 sieht gut aus, ist aber miserabel verarbeitet. Der 166 war viel besser. Obwohl Alfa etwa den 4fachen Werbeetat hat, verkaufte Lancia trotz aller Behinderungen besser. Dass mit dieser Politik ohne Werbung und Marketing, Lancia inzwischen nur noch Insidern bekannt ist, muss nicht verwundern. Nun argumentiert man, Alfa sei bekannter, deshalb muss es aufgebaut werden, Lancia sterben. Nur haben die es selbst so herbeigeführt.
Wenn man im Sport Erfolg hat, muss man es nutzen. Alfa sollte übernehmen. Aber bis auf ein paar Einzelerfolge des Larini kam fast nichts.
Dann die Modellpolitik: Der Delta 2 war nicht der logische Nachfolger des Delta 1. Er wurde zum Flop. Späte Sportversionen, aber kein Allrad, konnten das nicht verhindern. Man brauchte 8 Jahre, um den Delta 3 zu bringen. Marchionne ist Buchhalter, hat keine echte Beziehung zum Produkt und schon garnicht zur Tradition. Also spart er oft auch am falschen Ende. Crossover wie Croma II oder Delta 3 sprechen nicht die Käufer des Vormodells an. Die fangen bei jedem Auto wieder bei Null an. Der größte Fehler ist aber, dass die ständig irgendetwas verkünden, was nie oder zumindest erst mit Riesenverspätung kommt. Die Modellpalette ist mangelhaft, das Händlernetz ebenso. Mit Ersatzteilpreisen oder Nichtverfügbarkeit will man die Leute zum Neuwagenkauf zwingen, treibt sie eher zur Konkurrenz. Dann bringt man eine 500-PS-Giulia, die keiner wirklich braucht. Als Zugpferd taugt das Auto aber nur, wenn die normalen Modelle verfügbar wären. Sind sie aber immer noch nicht. Man pfriemelte Chrysler-Modelle in Lancias um. Die waren zwar definitiv besser, aber hatten nicht mit Lancia zu tun. Die Fans ärgerte bestenfalls die Verwendung der Namen Thema und Flavia.
Der europäische Markt interessiert die nicht mehr, deshalb gibt es keinen Kombi. Aber es ist auch gefährlich, sich nur auf USA und China zu konzentrieren. Die nächste Krise in den USA und die sind am Ende.
SM glaubt, er kann bestimmen, was die Kunden gefälligst zu kaufen haben. Damit ist er schief gewickelt. Ich finde im gesamten FCA-Konzern kein einziges Auto, das mir passt. Und die Ersatzteilpolitik können die an anderen ausprobieren. Deshalb fahre ich als Chef eines Lancia-Clubs SAAB!