WI-JX900
SAAB-Kasper im Ruhestand
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weil sie schon vor langer zeit im jugendmagazin "jetzt" der süddeutschen zeitung solche texte schrieb, die einen so alt wirken lassen:
und sollte die erinnerungen und die begehrlichkeiten ruhen lassen...
*seufz*
life is hard and then u die...
andererseits: wahrscheinlich IST man mit anfang 40 wirklich alt.Sie können nicht loslassen: auf Uni-Fluren, in Schulklassen und Feuilleton-Spalten beurteilen seit ein paar Wochen vor allem Menschen um die 40 die Jugend von heute. Spießige Streber seien wir und gar keine lässigen Styler wie sie. Früher war angeblich alles – und waren vor allem sie – besser. Früher, rufen sie, wurde noch richtig gerockt! Früher ist aber jetzt vorbei.
1 Es mag traurig für euch sein, dass die Jungen das haben, was ihr gerne noch hättet, nämlich eine Freikarte fürs Unvernünftigsein. Für uns ist es traurig, dass ihr keine Vorbilder, sondern unsere Kumpels sein wollt. Kumpels haben wir nämlich genug.
2 Bestimmt ist es nett gemeint, dass ihr uns erklären wollt, wie man einen Joint dreht. Aber wir wollen das eigentlich gar nicht wissen, und falls doch, dann ganz bestimmt nicht von euch.
3 Es ist ja nicht so, als wollten wir nichts mit euch zu tun haben. Bringt uns gerne bei: Ein amtliches Boeuf Bourguignon zu kochen, den richtigen Wein dazu auszusuchen, Hosen auf die richtige Länge kürzen zu lassen, fließend Altgriechisch zu sprechen.
4 Was wir nicht von euch lernen müssen: Wie jung sein geht.
5 Dran denken, beim stillvergnügten Schmökern: Wenn fast 50-Jährige über die Jugend von heute schreiben, dann ist das immer so, wie wenn Karl May über Indianer oder Jules Verne über den Erdmittelpunkt schreiben – unterhaltsam, aber weitgehend gelogen.
6 Erzählt ruhig ab und zu davon, wie das Leben war, damals, als es noch von allem reichlich gab. Aber tut nicht so, als könnte man sich heute noch so benehmen wie damals.
7 Redet außerdem bitte nur so viel von eurem eigenen (früheren) Sex, wie es euch selbst von Fremden interessiert. Vor allem, wenn Musik von Pink Floyd und Flokati-Teppiche ins Spiel kommen, wird’s abseitig.
8 Was noch interessanter wäre als die Geschichten von wilden Festen auf krümeligen Langhaar-Teppichen: Wie führt man eigentlich mit Anstand eine Beziehung?
9 Dass ihr „total verknallt“ seid, so „echt wie mit dreizehn“, freut uns ja. Aber wenn ihr uns jeden Monat eine neue „La Boum“-Geschichte erzählt, wird’s langweilig.
10 Erklärt uns bei Gelegenheit doch mal: Was soll das eigentlich sein, dieses „gefühlte Alter“, von dem ihr dauernd redet? Bedeutet „gefühltes Alter“ wirklich „Ich sehe aus wie 60, bin in Wirklichkeit 40, fühle mich aber wie 20, weswegen ich mich aufführe wie ein Zehnjähriger?“ Wir dachten immer, so etwas nennt man Schizophrenie.
11 Wir glauben übrigens: „Erwachsen sein“ hat nichts mit dem Alter zu tun. Es ist eine Geisteshaltung, die sich daraus ergibt, dass man Erfahrungen nicht nur sammelt, sondern auch daraus lernt. Deswegen kann ein 18-Jähriger auch erwachsener sein als ein 48-Jähriger. Und noch etwas: „Erwachsen werden“ ist nicht gleich „weniger Spaß haben“, es bedeutet, sich zwischen den Späßen weniger elend zu fühlen.
12 Ja, wir sind alle ein bisschen iPod. Aber: Ein iPod ist ein iPod ist ein Fernseher ist ein Telefon. Ein iPod ist nicht: Der Quastenflosser unserer Generationen.
13 „Klingeltöne und Jugend“ ist ein super Gesprächsthema, allerdings nur für Leute, die Sex zu Pink Floyd-Musik hatten.
14 Ihr kennt euch übrigens nicht besser aus als wir mit dem, was ihr „echte Musik“ nennt. Ihr macht nur mehr Geschrei deswegen.
15 Wer über Musiker redet, von denen wir dachten, sie seien schon tot, sollte dasmit der nötigen Pietät tun. Phil Collins, Mark Knopfler und Peter Gabriel verdienen den gleichen Respekt wie Franz Josef Strauß, Konrad Adenauer und Herbert Wehner.
16 Und wenn ihr schon über elektronische Musik sprecht, dann labert nicht vom Tanzen, wenn ihr selber schon lange nicht mehr tanzen geht. Und schwadroniert nicht vom Niedergang des Tracks. Der lebt schon ordentlich. Nur eben anderswo als ihr.
17 Falls ihr doch tanzt: Wir bitten um Haltung auf der Tanzfläche! Denn auf dem Dancefloor gilt: Kraftaufwand, Dynamik und große Posen sollten proportional zum Alter des Tänzers sinken, denn ebenfalls proportional dazu steigt die Peinlichkeit bei zu viel Kraftaufwand, Dynamik und großen Posen.
18 Und wenn euch etwas gut gefällt, sagt das ruhig so. Das verstehen wir auch ohne, dass ihr ein pfiffiges „das rockt!“ nachschiebt.
19 Dass wir keine Würgegeräusche machen und imaginäre Kalaschnikows bedienen, sobald ein Altachtundsechziger auf der Bildfläche erscheint, liegt gar nicht daran, dass wir immerfreundlich und indifferent sind, wie ihr behauptet. Was ihr nämlich auch behauptet: Man müsse einfach die Krätze kriegen, wenn Leute was zu sagen haben, die in ihrer Jugend schrecklich ungekämmt, langweilig fair und dauerbekifft, also einfach uncool, zu irgendwelchen Friedensdemos geschlurft sind. Klar, ihr seid die Scharfzüngigeren, die Lässigeren, die Bekoksteren und Besseraussehenden. Nur: Für uns Jungen kommen Modefragen nicht als Primärhobby in Frage, deswegen hört doch einfach auf zu versuchen, uns in euren immer noch andauernden Kampf gegen die „Scheißhippies“, wie ihr sagt, einzuspannen.
20 Nein, wir wollen nicht in eurem Cabrio mitfahren.
21 Dass ihr in euerer Jugend nicht viel mehr gemacht habt als cool rumzustehen, Musik anzuhören und die richtigen Kleider zu tragen heißt nicht, dass ihr cooler seid als wir. Es heißt nur, dass ihr möglicherweise weniger Dinge hattet, die euch Sorgen gemacht haben.
22 Bemerkenswerterweise haben wir trotzdem nicht das Gefühl, dass ihr den ganzen Spaß abbekommen habt und wir nur Hartz IV. Wahrscheinlich haben wir nur früher als ihr gelernt, was wirklich wichtig ist im Leben. Apropos: Wie geht’s der Familie?
23 Schon gut: Hartz IV. Ja, manchmal haben wir Angst vor der Zukunft. Tatsächlich, schon mit 16. Das könnt ihr euch nicht vorstellen, weil ihr zu einer Zeit jung wart, als das Geld ja angeblich aus der Börse rausquoll wie Badeschaum und ihr in der aufkommenden Jugendverehrung so dreist sein konntet, wie ihr wolltet. Heute wird Schülern und Studenten aber täglich gesagt, dass „Verdienen“ in diesen Zeiten wörtlich zu nehmen ist und dass wir auch was bringen müssen, wenn wir etwas bekommen wollen. Halb so wild eigentlich, fällt uns dann ein: Geben wir uns halt ein bisschen Mühe. Aber wenn ihr das nächste Mal über uns herzieht, fragt euch vorher: Sind „Strebertum“ und „Pragmatismus“ wirklich dasselbe?
24 Nicht vergessen: Wenn Jugend Pop ist, dann ist Arbeitslosigkeit Punk.
25 Zu versuchen, ein Playboy-Abo von der Steuer abzusetzen, ist übrigens nicht so witzig wie ihr glaubt.
26 Und nein, Joschka Fischers Privatleben ist kein Beispiel für lockeren Umgang mit spießigen Moralvorstellungen.
27 Wenn geknutscht werden soll, lasst uns Jungs und Mädchen mal tendenziell in Ruhe. Männer wie Frauen, die ein grundsätzliches Faible für Jungs und Mädchen haben, stimmen uns bisweilen beinah betrübt: Werden wir in eurem Alter auch keine Altergenossen mehr mögen, und uns deswegen an Jüngere mit einem ganz anderen Lebensgefühl ranwanzen? Klingt, naja: einsam.
28 Turnschuhe sind super. Man sollte sie mit über 40 nur nicht zum Anzug, sondern besser beim Joggen tragen. Dann freut sich auch der Körper.
29 Keine „Decaf Latte Frappucinos to go“ mehr bestellen! Stattdessen ganz einfach: einen Kaffee mit Milch zum Mitnehmen, bitte.
30 Außerdem die folgenden Ausdrücke aus dem aktiven Wortschatz streichen: trendy, kultig, hip, abgespaced, stylish, To-do-Liste.
31 Ihr findet uns indifferent. Ihr findet es unglaublich, dass wir Jungen uns nicht längst aufgeteilt haben in die Stildiktatoren und die anderen, die sie höchstens bewundern dürfen; dass Indierocker und Hiphopper sich nicht grundsätzlich schneiden. Ihr vergesst, dass die Individualitäts-Chips in uns mittlerweile viel leistungsfähiger und schneller sind als eure und macht noch weiter: Wie wenig uns aufregt, findet ihr unfassbar – so, wie ihr fast alles „unfassbar“ findet. Ihr habt unfassbar gut aussehende Freunde und jede Woche das neue Album, das irgendwas neu erfindet, irre irre irre! Puh. Wisst ihr – wir haben gerade eine Achtstundenschicht Kellnern hinter uns, ab dem Wintersemester müssen wir nämlich Studiengebühren zahlen. Für popideologische Grabenkämpfe fehlt uns die Zeit, Kraft und Lust. Kämpft ihr aber mal ruhig weiter, nur seid dabei bitte nicht so laut.
32 Stellt sich nur die Frage: Wie schafft ihr es noch, euch dermaßen in eure So-und-nicht-anders-Parolen festzubeißen, habt ihr denn gar keinen Hang zum Einerseits-Andererseits entwickelt, seitdem ihr das Internet benutzt?
33 Falls ihr es doch nicht mitbekommen habt: Das Internet brodelt. Jeder darf seine Meinung sagen, jeder muss sich dafür beschimpfen lassen, jeder kann sich quasi jede Information besorgen. Schaut euch das mal im Netz an und entscheidet dann, ob wir tatsächlich keine Meinung und keine Haltung haben.
34 Einigen wir uns darauf: Wir sind die Alleswisser, die es gewohnt sind zu diskutieren; ihr seid die Besserwisser, die es gewohnt sind zu bestimmen.
35 Mesdames et Messieurs, wollen wir uns nicht einfach siezen?
und sollte die erinnerungen und die begehrlichkeiten ruhen lassen...
*seufz*
life is hard and then u die...
