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Saab Paradies in Malmö oder ein weiterer Sargnagel für Saab

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1. General Motors hat mit der neuen Tochter Saab größere Probleme alserwartet.

 

Die Halle ist hoch und hell, eine Grünzone lädt zum Ausruhen zwischen Palmenund Natursteinen, Teichen und Springbrunnen ein. Kein Fließband zwingt die Arbeiter zur Eile. In kleinen Gruppen montieren sie den Saab 900 zusammen.

 

Schöne neue Arbeitswelt in Malmö. Das Saab-Werk in der schwedischen Küstenstadt genießt seit seiner Eröffnung vor zwei Jahren den Ruf, dass dort die"Fabrik der Zukunft"Wirklichkeit geworden ist.

 

Nun wird, ganz schnell,aus der Zukunft Vergangenheit: Die Fabrik wirdgeschlossen, 800 Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz.

 

Die Entscheidung zeigt,wie schlimm es um die Firma steht, die sich selbst gern zum Auto-Adel in Europa zählt. Der US-Autokonzern General Motors (GM), der 1989bei Saab einstieg, hat sich für viel Geld viele Probleme eingehandelt.

 

Rund eine Milliarde Mark musste der größte Autokonzern der Welt vor gut einem Jahr bezahlen, um 50Prozent und die industrielle Führung bei Saab übernehmen zukönnen. Doch das war, wie die GM-Manager in der Züricher Europazentrale schnellmerkten, nicht viel mehr als eine erste Anzahlung.

 

Schon im Geschäftsjahr 1990 musste Saab einen Rekordverlust von rund 1,2Milliarden Mark verbuchen.Mit jedem Auto, das die Schweden verkauften, verlorensie 13 000 Mark. Und in diesem Jahr ist kaum mit einem besseren Ergebnis zurechnen. General Motors muss nun erfahren, dass der Aufstieg in die automobileOberklasse wesentlich teurer wird als erwartet - wenn er mit Saab überhaupt zuschaffen ist.

 

Die schwedische Firma war von Anfang an nur die zweite Wahl. GM-Europa-Chef Robert Eaton hatte zuvor lange Zeit mit Jaguar verhandelt. Doch als der Preis in die Nähe von fünf Milliarden Mark rückte, überließ Eaton den Einstieg beider britischen Marke dem Konkurrenten Ford.

 

Beide Konzerne kämpfen seit Jahren mit dem gleichen Problem. Ihre Automobile für die Massen finden,bei allen Qualitäten, nicht die Gunst deranspruchsvolleren Klientel. Die Kundschaft, die für einen Wagen mehr als 40 000Mark bezahlt, will nur selten einen Opel oder Ford. Sie will nicht nur PS und Zylinder, sondern auch die Aura des Feinen und des Edlen, die ein traditionsreicher Firmenname ausstrahlt.

 

Große Autokonzerne kaufen deshalb das Image, das sie sich nicht erarbeitenkönnen. Fiat übernahm Ferrari, Alfa Romeo und Lancia; Ford stieg bei AstonMartin und Jaguar ein.

 

Ford entdeckte schnell,wie marode die angesehene Firma Jaguar ist. Der neueJaguar-Chef William Hayden sagte nach einem ersten Rundgang: "Ich war invielen Autofabriken der Welt. Mit Ausnahme einiger russischer Fabriken in Gorkiwar Jaguar das Schlimmste, was ich gesehen habe." Inzwischen bricht derJaguar-Absatz ein, die Verluste steigen, und Ford muss gewaltig investieren, um seine Neuerwerbung auf den Stand der Technik zu bringen.

 

General Motors erlebt mit seiner Neuerwerbung Saab nun ein ähnliches Desaster.An Warnungen hatte es vor dem Einstieg nicht gefehlt. Opel-Managersignalisierten der Züricher GM-Zentrale, Saab sei ein schwieriger Sanierungsfall.

 

GM-Manager Robert Eaton aber ließ sich davon nicht beeindrucken. General Motorsbrauchte einen Namenmit Klang, Saab war gerade zu haben. Und Eaton konnteverkünden: "Nun greifen wir in der Luxusklasse an."

 

Das bisherige Spitzenmodell von General Motors in Europa, der Senator von der deutschen Tochterfirma Opel, konnte diese Aufgabe nie erfüllen. Leute vom Fachbescheinigen ihm zwar Qualität auf BMW-Niveau, doch die Kundschaft überzeugt das nicht. Opel wird in Europa nur 15 000 Senator-Modelle los.

 

Nun also soll Saab die Wende bringen. Zuerst will Eaton den bereits seit 13Jahren gebauten Saab 900 ersetzen, der mit seinem Buckel den Charme der fünfziger Jahre verbreitet. Den Durchbruch soll schließlich ein neues Spitzenmodell schaffen, das den Opel Senator in drei, vier Jahren ablöst und gegen Mercedes, BMW und Audi bestehen kann.

 

Große Pläne, die zunächst mal mit einem ganz banalen Problem belastet sind. Bis der erste Saab der GM-Ära auf den Markt kommt, müssen die alten Modelleverkauft werden. Doch das gelingt auf den wichtigsten Märkten der Schweden, in Skandinavien und in den USA, immer weniger.

 

Die Fabriken von Saab,für eine Jahresproduktion von 180 000 eingerichtet, sind nur zur Hälfte ausgelastet. Es finden sich schlicht zu wenig Kunden, die bereit sind, viel Geld für veraltete Technik auszugeben.

 

General-Motors-Manager David Herman, der Saab flottmachen soll, hat erkannt,wie groß die Versäumnisse sind: "Wir müssen in den nächsten 5 Jahren mehrentwickeln, als hier in den vergangenen 40 Jahren geleistet wurde."

 

Während Saab bei der Entwicklung neuer Modelle sparte, gab der Konzern viel Geld für eine überflüssige Fabrik aus. 300 Millionen Mark kostete das Werk inMalmö, das schon bei der Eröffnung nicht benötigt wurde. Die vorhandenen Fabriken waren damals bereits nicht mehr voll beschäftigt.

 

Regierung und Gewerkschaften, die in Schweden einen ganz wesentlichen Einflussauf die Unternehmenspolitik ausüben können, hatten die alte Saab-Führung nicht zuletzt mit reichlich Subventionen dazu gebracht, dieses Werk zu bauen. Es sollte neue Arbeitsplätze nach Malmö bringen, weil dort 2300 Stellen durch die Schließung einer Werft weggefallen waren.

 

Die modernen Produktionsmethoden in Malmö hatten Saab zwar den Ruf eines humanen Arbeitgebers eingetragen. Sie waren aber leider wenig effektiv. In der Saab-Fabrik Trollhättan produziert die gleiche Zahl von Arbeitern doppelt soviele Autos wie in Malmö.

 

Dabei geht es bei Saab offenbar etwas gemütlicher zu als in anderen Autokonzernen. Zwar produziert der Saab-Arbeitnehmer inzwischen in 85 statt zuvor in 100 Stunden ein Auto - bei anderen europäischen Herstellern braucht ein Mann 40 bis 45 Stunden dazu.

Die geplanten Entlassungen und die Rekordverluste sorgen nun erst einmal dafür,dass der Ruf der Schweden Schaden nimmt. Für den beabsichtigten Vorstoß in die Luxus-Klasse ist dies nicht gerade die beste Voraussetzung.

 

Opel-Mitarbeiter, die den Einstieg bei Saab stets kritisch bewerteten, sehen sich bestätigt."Langsam stellt sich die Frage", so ein Aufsichtsratder Rüsselsheimer, "ob es uns gelingt, Saab hochzubringen, oder ob die uns herunterziehen."

 

 

 

 

DER SPIEGEL8/1991

 

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