Grundsätzlich habe ich gewisse Vorbehalte bei reinen Theoretikern. Wer absolut keine Fahrpraxis hat, sollte sich nicht zu derart doktrinartigen Aussagen hinreißen lassen, wenn er genaugenommen keine Ahnung von der Praxis hat. Es gibt ja wohl wie bei der Führerscheinprüfung einen theoretischen und einen praktischen Teil. Rein theoretisch kann man mathematische Spielchen anstellen und damit irgendetwas beweisen wollen. Das ist aber unseriös, gefällt jedoch der Journaille. Aber die Praxis setzt sich aus vielen Dingen zusammen: Tageszeit, Wetter, Verkehrsaufkommen, Verhalten vieler Individuen usw. usf.
Tankstopps und die Arbeitszeit für die Kfz-Kosten einzuberechnen, ist schon sehr weit hergeholt. Es ist auch nicht die Frage, ob man das Tempolimit von 80 in der Baustelle überschreitet. Das sollte indiskutabel sein, denn dort passieren die meisten Unfälle. Genauso unseriös, weil rein hypothetisch, wäre die Gegenaussage, dass man zwei drei Autos gerade noch überholt hätte und die dann hinter einem einen Unfall gebaut hätten, der der Autobahn 3 Stunden Stau bescherte. Auch so etwas kann passieren, aber man kann das doch nicht als feste Berechnungsgröße verwenden. Während ein Limit in der Baustelle als gegeben und unbedingt einzuhalten angesehen werden sollte, sind sonstige Berechnungen auf freien Strecken einfach nur Spekulation, weil zu viele unbekannte Größen mitspielen. Das erfährt man ja selbst in der Praxis. Für die Strecke Freiburg - Hamburg habe ich bei moderater Fahrweise und Tank-/Picknickstopp knapp 9 Stunden gebraucht. Ein Jahr vorher, zur gleichen Zeit, gleicher Wochentag, habe ich allein 7 Stunden in Staus gestanden.
Auch rein theoretisch kann man nachts eine Strecke mit permanent über 200 km/h fahren, ohne vom Gas zu müssen. Es kann ja aus irgendeinem Grund nötig sein. Tagsüber braucht man doppelt so lange und wenn der Zufall es will, noch länger. Ob ich tanken muss und einige Minuten verliere, hängt auch vom Verbrauch, dem Tankvolumen und der Strecke ab. Abgesehen davon empfehlen die Experten ohnehin, dass man Pausen einlegt. Also ist dieser Zeitaufwand für alle gleich, wenn man sich daran hält.
Die Theorie mit dem besten Verkehrsdurchfluss bei ca. 120 km/h ist rein mathematisch begründet. Man könnte eine andere Rechnung für das Gegenteil heranziehen. Wenn jeder sein Auto jeden Tag für bestimmte Strecken von A nach B nutzt, wird er desto länger im Straßenverkehr sein, je langsamer er fährt. Somit könnte man behaupten, Tempolimits erhöhen automatisch die Verkehrsdichte. Aber auch das ist Theorie. Es gibt derart viele Unbekannte, dass reine Mathematik nur dann funktioniert, wenn alles ferngesteuert ist. Wie z.B. bei der Bahn, was aber auch nicht perfekt ist, wie man an den vielen Verspätungen sieht.
Die beste Lösung ist doch, das Tempolimit der Situation anzupassen (wie fritzedd schon erwähnte). Es ist nicht einzusehen, dass man nachts um 4.00 Uhr auf einer vollkommen leeren Autobahn mit 100 fahren soll, was ja wiederum die Gefahr des Einschlafens fördert, während tagsüber u.U. sogar 100 zu viel sein können. Bei zähflüssigem Verkehr wird auch niemand 100 als zu langsam empfinden. Motto: Lieber 100 als Stillstand. Da man wohl aus Kostengründen nicht die gesamte Autobahn mit variablen Tempolimitbrücken versehen kann, wäre evtl. ein Zusatzschild wie 22-6 Uhr eine Lösung, je nach Verkehrsaufkommen des Abschnitts. In der Haupturlaubszeit könnte man das Schild ja abkleben. Wenn alle gleich schnell fahren, hat man immer den gleichen Anblick vor der Nase. Diese Monotonie hat auch etwas Einschläferndes.
Ideal wäre natürlich, wenn man auf jegliche Limits verzichten könnte und die Autofahrer eigenverantwortlich die jeweils angepasste Geschwindigkeit wählen würden. Aber das ist wirklich Utopie.