Anderthalb Jahre später. Es gab hier wenig zu berichten. Denn der Saab-Teil meines Lebens war von ungewohnter Stetigkeit geprägt.
Der Saab 900 ist nun seit vier Jahren bei mir. Probleme: Null. Im Mai sind HU und eine große Inspektion fällig. Dann kann und sollte auch mal wieder etwas zum Karosserieerhalt getan werden. Es fängt an, unter dem Sicherungskasten im Motorraum/auf dem Radhaus zu rosten.
Der Plan ist deshalb, ihn in diesem Frühjahr im Saab-Luftkurort Paderborn gegen den odoardograuen 9000 CC zu tauschen. Denn der befindet sich noch immer bei Borghardts. Die Gründe sind verschieden. Erstens: Ich habe gleich im Januar 2023 gesagt: „Ich hab’s nicht eilig mit dem Auto. Also müsst ihr es auch nicht eilig haben.“ Es ist ein Teil meiner Ü40-Lebenseinstellung. Die Saabs in meinem Leben haben keine Alltagsfunktion außer die, mir selbst und anderen Freude machen. Und meine mir freundschaftlich verbundene Werkstatt sollen sie auch nicht unnötig stressen. Zweitens: Die Mängelliste ist zwar weitgehend abgearbeitet. Ein neu bezogener Dachhimmel ist drin. Ein hinteres Radhaus ist saniert. Ein neuer Auspuff verbaut. Das Schiebedach hat keine Beule mehr. Das Piktogramm spielt nicht mehr verrückt. Die Zentralverriegelung und Klimaanlage tun wieder ihren Dienst. Aber zwei Punkte sind noch offen. A: Das Rumpeln an der Vorderachse. Der Austausch der Stoßdämpfer brachte keine Verbesserung. Also werden jetzt die hart gewordenen Fahrwerksgummis getauscht. B: Das Automatikgetriebe ist endgültig im Eimer. Es kommt ein gebrauchtes Tauschgetriebe aus einem Schlachtfahrzeug rein.
Wirtschaftlich betrachtet ist das natürlich alles gaga. Aber wann immer ich mal in Paderborn vorbeischaue, stehe ich wieder davor und denke: Was für ein schönes Auto. Ich konnte übrigens viele Jahre gar nicht benennen, warum mir einige 9000 CC und CD-Modelle so außerordentlich gut gefallen, während mich andere eher kalt lassen. Dabei ist der Grund ganz simpel: Es ist die seitliche Chromfensterleiste. Für meinen Geschmack hat selten ein Stück Chrom ein Autodesign so aufgewertet. Und mein 1991er Übergangsmodell hat sie. Dazu die wirklich elegante Farbkombination aus Odoardograu und Leder Dover, das klassische Felgendesign, das große Schiebedach, der Neuwagengeruch.
Was weitere automobile Abenteuer angeht: Ich war da das ganze Jahr offen für:-) Aber die Versuchungen hielten sich in Grenzen. Mein Deal mit mir selbst ist: Es gibt eine definitive Shortlist von Autos, die ich mir noch erlauben würde. A) Ein gut erhaltener, geschlossener 9-3/I. B) Ein Citroën BX Break, Serie 2, in gehobener Ausstattungslinie. C) Ein Rover 827, Serie 1. Mein Glück oder Unglück war bisher: Kaum jemand hat sowas aufgehoben. Niemand will so etwas verkaufen.
Beim Rover gibt es europaweit eine Handvoll Inseratsleichen zum fünfstelligen Preis. Das bezahlt keiner dafür. Ich auch nicht. Beim BX gibt es immer noch einen ganz akzeptablen Markt. Besonders in Frankreich und Benelux. Aber es gibt praktisch keine Kombis mehr. Tja … und der Saab 9-3? Unfassbar, wie selten der als Coupé und 5-Türer im guten Zustand geworden ist. Und ich möchte eben partout keinen Anniversary. Ich mag das Leder nicht. Ich mag das Carbonbrett nicht.
Letzten Freitag dann lag ich krank auf dem Sofa und litt unter ultimativem mobilede-Boreout. Irgendwo muss es doch nochmal einen guten 9-3 geben! Dann erinnerte ich mich an eine Methode, die ich schon mal vor einem Jahrzehnt anwandte, als ich händeringend einen guten 9000 CS suchte. Ich suchte mir eine Handvoll guter Saab-Adressen in Deutschland zusammen und schrieb die an. Sie mögen sich bitte melden, wenn mal im Kundenstamm etwas Passendes zu verkaufen sei. Viel Hoffnung machte ich mir nicht bei der Aktion. Denn die wenigen Saab-Werkstätten, die durchhalten, drehen die Autos nach meiner Erfahrung am liebsten im eigenen Kundenkreis und behalten sie damit im Einzugsgebiet der eigenen Werkstatt.
Und doch: Dienstagfrüh klingelte das Telefon und ich hatte den Saab Service Frankfurt auf der Mailbox. Herr Ratzmann: „Ich habe da etwas auf den Hof bekommen in wirklich sehr, sehr, sehr, sehr gutem Zustand. Rufen Sie gern mal zurück.“ Viermal „sehr“ aus vierfach sehr berufenem Munde. Natürlich rief ich da zurück. Und erfuhr: Ein mitternachtsblauer 9.3 2.0i SE 5-Türer, Schalter, 111tkm, Erstzulassung auf Saab Deutschland im Dezember 1998, dann Anfang Februar 1999 an den ersten und einzigen privaten Besitzer verkauft. Der Preis: Fair! Und so hörte ich mich selbst sagen: „Sie sind ja keine Pommesbude. Wenn Sie mir sagen, dass das ein gutes Auto ist, dann kaufe ich den. Schicken Sie mir gerne ein paar Bilder und machen den Kaufvertrag fertig.“ Später am Nachmittag kamen die Bilder und ich war begeistert. Am nächsten Vormittag war der unterschriebene Vertrag per E-Mail in Frankfurt und das Geld überwiesen. Und ich räume ein, dass ich mit einer gewissen grimmigen Zufriedenheit dachte: Ha! Den kauft mir keiner mehr vor der Nase weg.
Zugegeben: So groß ist der Kreis der verdächtigen Kaufkonkurrenz wohl auch nicht bei einem 1998er Non-Turbo. Aber für mich ist er perfekt. Ich mag den 130PS-Motor. Er ist treu und dankbar, und das, was ihm an Punch fehlt, macht er durch seinen besonders saabigen Klang wett. Ein paar Kleinigkeiten werden jetzt noch gemacht. Eine Ecke der vorderen Stoßstange möchte ich neu lackiert haben. Neue Saab-Scania (!)-Embleme hat Herr Ratzmann schon zurecht gelegt. Solche Sachen eben. Ein neuer großer Service mit Poly-V-Riemen und Umlenkrollen ist mit drin im Preis.
So werden es dann nun also drei Schweden in der bretonischen Garage. Und das anderthalb Jahre alte Audi A5 Cabrio zieht erstmal unter die Straßenlaterne. Der 900 als das ikonischste Auto, das Saab je gebaut hat. Der 9000 als das beste Auto, das Saab je gebaut hat. Und der 9-3 als der für mich letzte Saab, der sich nach einem Saab anfühlt. Für mich ein stimmiges Ensemble.
Auch auf die Abholung in Frankfurt freue ich mich sehr. Wer wollte nicht mal ein Auto in der ehemaligen Saab-Deutschland-Zentrale in Empfang nehmen? Außerdem kann ich dann Saab-Freund Christoph besuchen, den ich zu Beginn meiner Saabfahrer-Karriere hier im Forum kennenlernte. Viele schöne Besuche und Ausfahrten im lieblichen Rheingau folgten. Seither: Nie aus den Augen verloren. Aber in den letzten Jahren nur noch selten gesehen. Es ist also so wie mit dem ganzen Auto und der ganzen Marke: Eine stetige Reminiszenz an gute Zeiten.
Weiterhin schließt ein Saab-Traditionsbetrieb nach dem anderen. Das Fahrzeugangebot wird kärglicher. Auch auf der Autobahn werden die Begegnungen zwischen uns seltener. Und die Ersatzteilversorgung, bei der wir alle lange so verwöhnt waren, wird spürbar angespannter. Das alles macht bewusst: Es wird nicht mehr ewig so gehen. Umso kostbarer ist, dass es jetzt noch geht. Genießen wir es!