Sage mal Martin, bist ja sonst 'nen lieber, netter Kerl. Aber hier ziehst Du wirklich gewaltig Luft.
Nicht alle sind zwischen 10 und 60. Und auch von denen sind, ohne eigenes Verschulden, nicht alle besonders gut zu Fuß.
Ich wünsche es Dir ja nicht wirklich, aber evtl. könnte ein gebrochener Knöchel Dein diesbezügliches Urteilsvermögen doch enorm verbessern.
Mein Großvater hat mit 80 noch über 200km wöchentlich auf dem Fahrrad gekloppt, meine Großmutter hat sich bis kurz vor Schluß (mit 87,5 hat sie der Krebs dann doch gekriegt, daraufhin hat sie das Krankenhaus nicht mehr verlassen, aber wenigstens ging's recht schnell) noch über die "alten" Leute aufgeregt, die an der Supermarktkasse den Verkehr aufhalten, weil sie zu tatterig sind, Münzen aus dem Portemonnaie zu fischen. Die hat immer noch alle ihre Einkäufe zu Fuß getätigt, und wenn seines Tages mal nicht aus dem Haus mußte ist sie eisern ein paarmal die Treppen hoch und runter gelaufen (2. Stock Charlottenburger Altbau, also so hoch wie vier oder fünf Geschosse anderswo im Neubau), und der Händedruck war dank täglichem Klavierspiel bis zu Schluß schraubstockähnlich. Ihre beste Freundin wird demnächst 90, sieht aus wie Anfang 60, ist jeden Tag auf Achse und reist immer noch fröhlich durch die Weltgeschichte. Die andere Großmutter, die irgendwann, als die ersten Wehwehchen kamen angefangen hat "sich zu schonen", hat dagegen seit Jahrzehnten massive gesundheitliche Probleme.
Im Ruderverein hatten wir den sogennannten "Mumienvierer" mit einem Durchschnittsalter von 84 Jahren. Die Herren waren eisern jede Woche, ob's stürmt oder schneit, auf dem Wasser. Als der erste plötzlich starb war's dann binnen weniger Monate mit allen vorbei, aber bis ganz kurz vor Schluß waren sie alle weit überdurchschnittlich fit.
Zwei unserer Nachbarn in Schweden haben die 80 überschritten - was den einen aber nicht hindert, bei Bedarf nächstens die Tankstelle seines Mieters aufzuschließen und gestrandetete Autofahrer zu versorgen, und beide gehen selbstverständlich noch mit der Kettensäge in den Wald und machen ihr Holz selbst.
Vattern kraxelt mit 67 noch munter auf dem Dach rum, gräbt Findlinge aus der Wiese und baut meiner Mutter eine Trockenmauer in den Garten, damit das mit den Gewürzkräutern auch da oben im Norden noch hinhaut, und der nicht wirklich jüngere Schwiegervater schmeißt täglich eine Girya durch die Luft, geht, obwohl längst pensioniert noch freiwillig arbeiten, baut jeden Sommer weiter das Landhaus aus, geht dreimal in der Woche schwimmen und, wie sich das für einen anständigen Russen gehört, winters Eisbaden. (Wurde übrigens vom Käufer meines 7-Euro-Griffins auf Mitte 40 geschätzt...)
Natürlich sind das alles nur Einzelfälle und Anekdoten. Aber für mich ergibt sich da ein Muster: wer sich bis ins hohe Alter körperlich betätigt, der bleibt fit. Ob er fit bleibt, weil er sich körperlich betätigt, oder ob er sich noch körperlich betätigen kann, weil er fit geblieben ist kann erstmal dahinstehen, da vermutlich beides stimmt. Aber da nach meinen Erfahrungen die Entwicklung körperlicher Fitneß in positiver wie auch negativer Hinsicht ein sich selbst verstärkender Prozeß ist tut sich, von akuten Krankheiten/Verletzungen einmal abgesehen, mit "Schonung" niemand einen Gefallen, von körperlicher Aktivität profitiert dagegen jeder. Auch und gerade alte Menschen.
Daß das, wenn man erstmal auf einem geringen Niveau körperlicher Belastbarkeit angekommen ist nicht einfach ist und teilweise überhaupt keinen Spaß macht weiß ich selber. Mir hat eine Achillessehnenverletzung einen Großteil meiner Ausdauerleistungsfähigkeit geraubt und 30 Kilo extra beschwert, bis ich ein alternatives Programm gefunden hatte, mit dem Laufen/Rennen tue ich mich auch jetzt, nach Jahren (!) immer noch schwer. Aber wenn ich nicht joggen kann geh ich eben so viel wie möglich zu Fuß, schwimme etc, und Krafttraining geht sowieso immer. Ich bin mir ziemlich sicher, daß meine aktuellen 110kg, hätte ich komplett aufgegeben, noch weitaus ungünstiger verteilt wären als jetzt, bzw daß da noch einige Kilogramm "Energiespeicher" dazugekommen wären. Ich bin gefühlt doppelt so alt wie meine jüngsten Kommilitonen, aber komischerweise trotz Verletzung und Übergewicht bedeutend besser zu Fuß als die meisten. Warum wohl? Weil ich die Füße bestimmungsgemäß einsetze.
Gerade wenn man schon etwas eingeschränkt ist gehört das zu-Fuß-gehen aber meistens zu dem Letzten, was einem geblieben ist. Wer das freiwillig aufgibt, weil es ihm zu anstrengend ist, der braucht sich über früh einsetzendes Siechtum nicht zu wundern.
Ich wiederhole mich: gerade die, die schon für ein oder zwei Haltestellen den Bus nehmen würden sehr deutlich davon profitieren, gingen sie stattdessen zu Fuß.
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Bist Du nicht fit oder etwas angeschlagen macht das Training keinen Spaß, also trainierst Du weniger und wirst immer schlechter; bist Du dagegen fit und fühlst Dich gut kostet das trainieren kaum Überwindung und der Kampf gegen den inneren Schweinehund ist eigentlich schon beim Aufstehen zu dessen Ungunsten entschieden.