Auffallend ist, dass ihr euch hier tatsächlich am meisten über die "Bildende Kunst" (Malerei, Grafik, Bildhauerei, Architektur,...) auslasst. Über die anderen Bereiche (Musik, Theater, Tanz, Literatur,...) habt ihr euch bisher noch gar nicht ausgebreitet. Woher kommt das? Sind wir in diesen Themen großzügiger, toleranter oder haben wir davon vielleicht einfach noch weniger Ahnung?!
Ich seh das mit der Kunst ähnlich wie der Junge Römer (und viele Andere). Kunst ist im Auge des Betrachters und am Ende (am Anfang, in der Mitte) total subjektiv. Was der Eine versteht, findet der Andere beknackt, was der Eine großartig findet, kann der Andere nicht nachvollziehen. Und wer bereit ist, für das, was ihm gefällt, (viel) Geld zu bezahlen - bitte. Und wer bereit ist, für das, was ihm nicht gefällt, wovon er aber meint, dass es großartig und angesehene Kunst ist (und sei es nur bei der Ausstellung im örtlichen Gemeindebüro) (viel) Geld zu bezahlen und sich dadurch (noch) wichtig(er) findet - bitte. Viel ist dabei ja auch wieder relativ. Lass sie doch einfach machen. Ich denke, Kunst hat heute keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit (mehr).
Aber/und/jedoch:
Kunst will berühren.
Neulich saß ich in einem Klavierkonzert eines jungen wirklich talentierten Pianisten, der u.a. einige Werke von Liszt spielte. Technisch großartig wiedergegeben waren das schon ziemliche Brocken, die in Phasen für mich nicht wirklich gut ins Ohr gingen, ich konnte mich nur schwer einfinden und dennoch: Es war ein so eindrückliches und mächtiges Erlebnis! Diesen jungen Typen zu sehen, sein Spiel zu fühlen, es einfach mal auf sich wirken zu lassen, auch, wenn es fremd schien. Und am Ende hatte ich diesen (für mich) ganz sicheren und überzeugten Gedanken: "Der hat die Musik einfach verstanden!"
Vielleicht zeigt sich auch hier, dass Offenheit Erleben schafft.
Ich persönlich bin auch eine, die sich gerne erlebt und fühlend gestaltet. Ob das, was dabei rauskommt, Kunst ist, ist fraglich, hat aber auch keine Bedeutung, wichtig ist die Hingabe. Früher hab ich stundenlang auf dem Boden gesessen und gemalt, ganz alleine, mit Musik im Hintergrund, die mich bei der Arbeit aufgenommen hat und einem Glas Wein, in dem sich meine Seele baden konnte. Das waren herrliche Momente losgelöster Selbstversunkenheit und es ging nicht um ein Ergebnis, sondern der Weg war das Ziel. Vielleicht wie bei euch, die ihr gerne an euren Saabs schraubt und ein gutes Gefühl dabei entwickelt. Oder zufrieden auf das von euch geschaffene Ergebnis seid. Ist doch toll, wenn man selbst gestalten kann, sei es künstlerisch oder handwerklich. Das Fühlen ist ein Wunder-Bares. Und es ist immer im Fluss.
Die Malerei hab ich irgendwann gesteckt, weil ich mich für mich selbst nicht genügend darin ausbreiten konnte. Ich gestalte statt dessen nur noch innere Bilder, die ich auf unterschiedlichen Wegen zu Anderen transportiere und die sie dann durch ihr eigenes Sein individuell umsetzen. Ich erlebe diese "geführten Wanderungen" und ihre Ergebnisse als viel freier, hochwertiger und vielseitiger, als ich es selbst je erzielen könnte.
Heute genieße ich es eigentlich am meisten, zu schreiben, für Gefühle Bilder und Worte zu finden, sie so abzutasten und umzuwandeln, dass sie Andere wieder berühren, sie anspornen, eigene Gefühle und innere Bilder zu entwickeln. Für mich erlebe ich diesen Prozess als unglaublich lebendig und kraftspendend.
Und manchmal, wenn ich Zeit und Muße habe, fummel ich auch gerne an Holz und Stein rum. Und auch dabei geht es gar nicht so sehr um ein vorzeigbares Ergebnis, sondern viel eher um das Erleben des Materials und meiner selbst.
Liebe Grüße!