Onkel Kopp
Don Quijote de Olja a.D.
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Auf der 2014er Herbstausfahrt des Köln-Bonner Saab-Stammtisches gab es einen Zwischenhalt, währenddessen wir uns eine Parkanlage mit Schloss angesehen haben. In einem schönen Innenhof stieg ich auf einen Treppenaufgang, weil solch ein Innenhof von einer erhöhten Position manchmal ganz anders wirkt. Es gab dann ein paar Späße. Jochen rief „Andreas, sprich zu uns!“, worauf ich mich zu einer kurzen Imitiation von Hans-Dietrich Genschers Balkonrede in der Deutschen Botschaft in Prag 1989 hinreißen ließ. Torsten rief „Sag uns, welches Öl sollen wir verwenden!“, worauf hin ich ohne Kommentar sehr flott wieder von dem Treppenaufgang verschwunden bin. Heikles Thema – kein Kommentar!
Das ging mir nicht aus dem Kopf und ich habe mich gefragt: Kannst du ernsthaft ein bestimmtes Öl empfehlen? Das wäre doch die Idealvorstellung: Nimm für einen B235 Öl xy von Hersteller yz, das passt am besten! Ich bin durch mein Studium mit Wahlfach Betriebsstoffe und Tribologie sowie das Lesen einiger technischer Veröffentlichungen diverser Mineralölfirmen nie ganz unbedarft gewesen, ich fand die Thematik Motoröl einfach interessant. Schließlich habe ich von Anfang 2012 bis Anfang 2014 zwei Jahre lang in der motorischen Ölerprobung gearbeitet und da natürlich Weiteres gelernt und meinen Wissensdurst durch Fragen an die „alten Hasen“ in der Firma gestillt. Eigentlich dachte ich, ich würde dadurch nach und nach zum Experten, aber im Grunde genommen hat mich meine Tätigkeit nur zu der Überzeugung gebracht, dass ich die Frage nach einem bestimmten empfehlenswerten Öl für ein bestimmtes Modell niemals zuverlässig und seriös beantworten kann. Darüber hinaus bin ich mir sicher, dass auch niemand anders hier dazu in der Lage ist.
In den von mir betreuten Testen, sei es hauptverantwortlich oder in Vertretung, schnitt ein 5W-30 hervorragend ab, ein anderes versagte. Dann war ein 10W-40 top, ein anderes war schlecht. Das galt für alle möglichen Viskositätslagen. Zu allem Überfluss wurden die meisten der Top-Testergebnisse von den neuesten 0W-20-Ölen erreicht, und das obwohl damit in den schon etwas älteren Testmotoren - die gar nicht für dieses Öl ausgelegt waren - der Öldruck echt grenzwertig niedrig war. Es gab zwar eine statistische Häufung guter Ergebnisse in bestimmten Viskositätslagen, aber die Größe der Stichproben war bei einigen einfach zu gering, um eine zuverlässige Aussage zu tätigen. Leider bekam ich in den seltensten Fällen mit, unter welcher Verkaufsbezeichnung ein Öl im Handel war oder in den Handel gelangen sollte, das lief alles über anonyme Ölcodes.
Das Thema Öl ist in Automobilforen immer eine Glaubensfrage. Da kann man argumentieren wie man will, wer von einem bestimmten Öl überzeugt ist, der rückt davon nicht ab. Ich habe mir hier schon die Finger wund geschrieben, was mir schließlich von Tobi den Titel des Don Quijote in Ölfragen eingebracht hat. Da ich jetzt schon über ein halbes Jahr wieder im Bereich Fahrzeugschwingungen und –akustik arbeite, möchte ich mich mit diesem umfangreichen Post aus der Ölthematik verabschieden, zumindest aus den reinen „Ölthreads“. Ich habe dann alles was ich weiß hier und in vielen anderen Posts geschrieben und kann darüber hinaus nicht mehr dazu beitragen. Und ständig wiederholen möchte ich mich auch nicht.
Folgende drei allgemeine Empfehlungen würde ich basierend auf meiner beruflichen Tätigkeit, Literaturrecherche und Gespräche mit Testingenieuren aus Dauerlauf und Reibungsanalyse vertreten, wenn es darum geht, welches Öl man wählen sollte. Ausreichend häufige Ölwechsel setze ich voraus, das wurde schon so oft hoch- und runtergebetet, dass soll hier nicht Thema sein.
1. Wählt eine Viskositätslage, die für euer Fahrzeug vorgesehen ist und weicht davon nicht nach unten und höchstens um jeweils eine Stufe in der Kalt-/Heißviskosität nach oben ab.
Beispiel: Für einen 9-5 mit B205/B235 sind laut WIS die Viskositätslagen 0W-30, 5W-30, 0W-40 und 5W-40 vorgesehen. Ich würde kein 0/5W-20 verwenden, da dann der Öldruck zu stark absinken könnte. Das Öl kann trotzdem gut funktionieren, siehe oben – aber wer will’s riskieren? „Nach oben“ würde ich maximal ein 10W-40 oder 5W-50 nehmen. 10W-60 macht nur bei extremer Beanspruchung Sinn („Nordschleifenauto“), bei alltäglichen Öltemperaturen und Drehzahlen zwischen Kindergarten, Baumarkt und Fast-Food-Drive-In kann sonst u. U. der Volumenstrom durch die feineren Ölkanäle abseits der Hauptgalerien zu stark absinken. Kann – muss nicht. Aber auch hier: Wer will’s riskieren? Eher dickere Öle bieten den Vorteil, dass der Ölfilm Bauteile mechanisch länger voneinander trennt, es dort also mehr Reserven gibt. Deswegen fahre ich kein 5W-30. Hochmoderne 0W-20-Öle sind hoch additiviert und bilden sogenannte „Opferschichten“ auf dem Material, die abgetragen und erneuert werden. Es kommt zu Kontakt der Metalloberflächen im Betrieb. Ich kenne den Prozess nicht im Detail, aber es scheint ganz gut zu funktionieren. Trotzdem rührt aus der Bauteiltrennung meine Empfehlung, wenn, dann nach oben die Viskositätsvorgaben des Herstellers zu verlassen. Das kann auch bei fortgeschrittenem Verschleiß und hohem Lagerspiel bei hoher Laufleistung mehr Reserve bedeuten und daher angebracht sein. Ansonsten aber gilt: Ein Motor ist auf ein bestimmtes Viskositätsfenster konstruktiv ausgelegt.
2. Achtet auf ausreichende Freigaben
Es muss meiner Meinung nach z.B. für die Benziner-Turbos nicht unbedingt die GM LL-A-025 (Herstellervorgabe) oder die Daimler 229.5 (streng) sein. Die Teste für die Freigaben verschiedener Hersteller zielen alle auf Motorverschmutzung, Verschleiß und Kraftstoffverbrauchsersparnis ab. Das Gleiche gilt für die allgemeine europäische ACEA-Norm. Die Teste überschneiden sich z. T., das heißt es gibt Teste, die sowohl für die ACEA- als auch für eine VW- als auch für eine Daimler-Norm erfüllt werden müssen. Die Daimler 229.5 fordert auch eine bestimmte Kraftstoffersparnis zu einem Referenzöl in einem Verbrauchstest, die vergleichsweise „dicke“ Öle nicht erreichen, obwohl sie vielleicht hervorragend vor Verschleiß und Verschmutzung schützen. Dann habe ich in Testen beobachtet, dass die Streuung der Ergebnisse für verschiedene Öle in den einzelnen Kriterien weit größer ist als z.B. die zwischen Daimler 229.1/.3/.5. Viele Limits sind außerdem bei den drei Daimler-Spezifikationen gleich, es ist nicht so, dass die 229.5 immer und überall schärfer ist als die anderen beiden.
Ich persönlich achte eher auf viele verschiedene Freigaben, die ein bestimmtes Mindestniveau erfüllen (ACEA A3/B4 / Daimler 229.3 / VW 502 00), da habe ich ein gutes Gefühl, dass alle Themen abgedeckt sind. Ölfreigaben sind teuer. Wenn das Öl viele verschiedene hat und der Hersteller da nicht geizig war, dann habe ich auch das Gefühl, dass der Hersteller bei der Formulierung des Öles nicht gespart hat. Gefühle, Gefühle, da sind wir auch schon bei Empfehlung Nr. 3:
3. Nehmt basierend auf den ersten beiden Kriterien das Öl, mit dem ihr euch gut fühlt.
Ja, das ist ernst gemeint! Mit dieser Aussage berücksichtige ich zum einen, dass Motoröl offenbar eine Glaubensfrage ist und zum anderen, dass hier im Forum keiner seriös mit letzter Sicherheit ein bestimmtes Öl empfehlen kann.
Wenn ihr also hier einen Post von einem User lest „Ich verwende Öl XY, das kann ich empfehlen!“, dann ist das in solch einer allgemeinen und umfassenden Form schlicht Bullshit. Fragt dann einfach mal, woran konkret er diese Aussage festmacht und wartet auf die Antwort. Dann erübrigt sich in den meisten Fällen alles Weitere. Wer in nächster Zeit noch Ölfragen hat, der kann sich gerne per PN an mich wenden, ich versuche dann so gut es mir möglich ist weiterzuhelfen. Es kann aber gut sein, dass ich auf eine bestimmte Frage nur antworten kann: Ich weiß es nicht.
So Tobi, jetzt kannst du ein „a. D.“ bei meinem Namenszusatz hinzufügen.
Das ging mir nicht aus dem Kopf und ich habe mich gefragt: Kannst du ernsthaft ein bestimmtes Öl empfehlen? Das wäre doch die Idealvorstellung: Nimm für einen B235 Öl xy von Hersteller yz, das passt am besten! Ich bin durch mein Studium mit Wahlfach Betriebsstoffe und Tribologie sowie das Lesen einiger technischer Veröffentlichungen diverser Mineralölfirmen nie ganz unbedarft gewesen, ich fand die Thematik Motoröl einfach interessant. Schließlich habe ich von Anfang 2012 bis Anfang 2014 zwei Jahre lang in der motorischen Ölerprobung gearbeitet und da natürlich Weiteres gelernt und meinen Wissensdurst durch Fragen an die „alten Hasen“ in der Firma gestillt. Eigentlich dachte ich, ich würde dadurch nach und nach zum Experten, aber im Grunde genommen hat mich meine Tätigkeit nur zu der Überzeugung gebracht, dass ich die Frage nach einem bestimmten empfehlenswerten Öl für ein bestimmtes Modell niemals zuverlässig und seriös beantworten kann. Darüber hinaus bin ich mir sicher, dass auch niemand anders hier dazu in der Lage ist.
In den von mir betreuten Testen, sei es hauptverantwortlich oder in Vertretung, schnitt ein 5W-30 hervorragend ab, ein anderes versagte. Dann war ein 10W-40 top, ein anderes war schlecht. Das galt für alle möglichen Viskositätslagen. Zu allem Überfluss wurden die meisten der Top-Testergebnisse von den neuesten 0W-20-Ölen erreicht, und das obwohl damit in den schon etwas älteren Testmotoren - die gar nicht für dieses Öl ausgelegt waren - der Öldruck echt grenzwertig niedrig war. Es gab zwar eine statistische Häufung guter Ergebnisse in bestimmten Viskositätslagen, aber die Größe der Stichproben war bei einigen einfach zu gering, um eine zuverlässige Aussage zu tätigen. Leider bekam ich in den seltensten Fällen mit, unter welcher Verkaufsbezeichnung ein Öl im Handel war oder in den Handel gelangen sollte, das lief alles über anonyme Ölcodes.
Das Thema Öl ist in Automobilforen immer eine Glaubensfrage. Da kann man argumentieren wie man will, wer von einem bestimmten Öl überzeugt ist, der rückt davon nicht ab. Ich habe mir hier schon die Finger wund geschrieben, was mir schließlich von Tobi den Titel des Don Quijote in Ölfragen eingebracht hat. Da ich jetzt schon über ein halbes Jahr wieder im Bereich Fahrzeugschwingungen und –akustik arbeite, möchte ich mich mit diesem umfangreichen Post aus der Ölthematik verabschieden, zumindest aus den reinen „Ölthreads“. Ich habe dann alles was ich weiß hier und in vielen anderen Posts geschrieben und kann darüber hinaus nicht mehr dazu beitragen. Und ständig wiederholen möchte ich mich auch nicht.
Folgende drei allgemeine Empfehlungen würde ich basierend auf meiner beruflichen Tätigkeit, Literaturrecherche und Gespräche mit Testingenieuren aus Dauerlauf und Reibungsanalyse vertreten, wenn es darum geht, welches Öl man wählen sollte. Ausreichend häufige Ölwechsel setze ich voraus, das wurde schon so oft hoch- und runtergebetet, dass soll hier nicht Thema sein.
1. Wählt eine Viskositätslage, die für euer Fahrzeug vorgesehen ist und weicht davon nicht nach unten und höchstens um jeweils eine Stufe in der Kalt-/Heißviskosität nach oben ab.
Beispiel: Für einen 9-5 mit B205/B235 sind laut WIS die Viskositätslagen 0W-30, 5W-30, 0W-40 und 5W-40 vorgesehen. Ich würde kein 0/5W-20 verwenden, da dann der Öldruck zu stark absinken könnte. Das Öl kann trotzdem gut funktionieren, siehe oben – aber wer will’s riskieren? „Nach oben“ würde ich maximal ein 10W-40 oder 5W-50 nehmen. 10W-60 macht nur bei extremer Beanspruchung Sinn („Nordschleifenauto“), bei alltäglichen Öltemperaturen und Drehzahlen zwischen Kindergarten, Baumarkt und Fast-Food-Drive-In kann sonst u. U. der Volumenstrom durch die feineren Ölkanäle abseits der Hauptgalerien zu stark absinken. Kann – muss nicht. Aber auch hier: Wer will’s riskieren? Eher dickere Öle bieten den Vorteil, dass der Ölfilm Bauteile mechanisch länger voneinander trennt, es dort also mehr Reserven gibt. Deswegen fahre ich kein 5W-30. Hochmoderne 0W-20-Öle sind hoch additiviert und bilden sogenannte „Opferschichten“ auf dem Material, die abgetragen und erneuert werden. Es kommt zu Kontakt der Metalloberflächen im Betrieb. Ich kenne den Prozess nicht im Detail, aber es scheint ganz gut zu funktionieren. Trotzdem rührt aus der Bauteiltrennung meine Empfehlung, wenn, dann nach oben die Viskositätsvorgaben des Herstellers zu verlassen. Das kann auch bei fortgeschrittenem Verschleiß und hohem Lagerspiel bei hoher Laufleistung mehr Reserve bedeuten und daher angebracht sein. Ansonsten aber gilt: Ein Motor ist auf ein bestimmtes Viskositätsfenster konstruktiv ausgelegt.
2. Achtet auf ausreichende Freigaben
Es muss meiner Meinung nach z.B. für die Benziner-Turbos nicht unbedingt die GM LL-A-025 (Herstellervorgabe) oder die Daimler 229.5 (streng) sein. Die Teste für die Freigaben verschiedener Hersteller zielen alle auf Motorverschmutzung, Verschleiß und Kraftstoffverbrauchsersparnis ab. Das Gleiche gilt für die allgemeine europäische ACEA-Norm. Die Teste überschneiden sich z. T., das heißt es gibt Teste, die sowohl für die ACEA- als auch für eine VW- als auch für eine Daimler-Norm erfüllt werden müssen. Die Daimler 229.5 fordert auch eine bestimmte Kraftstoffersparnis zu einem Referenzöl in einem Verbrauchstest, die vergleichsweise „dicke“ Öle nicht erreichen, obwohl sie vielleicht hervorragend vor Verschleiß und Verschmutzung schützen. Dann habe ich in Testen beobachtet, dass die Streuung der Ergebnisse für verschiedene Öle in den einzelnen Kriterien weit größer ist als z.B. die zwischen Daimler 229.1/.3/.5. Viele Limits sind außerdem bei den drei Daimler-Spezifikationen gleich, es ist nicht so, dass die 229.5 immer und überall schärfer ist als die anderen beiden.
Ich persönlich achte eher auf viele verschiedene Freigaben, die ein bestimmtes Mindestniveau erfüllen (ACEA A3/B4 / Daimler 229.3 / VW 502 00), da habe ich ein gutes Gefühl, dass alle Themen abgedeckt sind. Ölfreigaben sind teuer. Wenn das Öl viele verschiedene hat und der Hersteller da nicht geizig war, dann habe ich auch das Gefühl, dass der Hersteller bei der Formulierung des Öles nicht gespart hat. Gefühle, Gefühle, da sind wir auch schon bei Empfehlung Nr. 3:
3. Nehmt basierend auf den ersten beiden Kriterien das Öl, mit dem ihr euch gut fühlt.
Ja, das ist ernst gemeint! Mit dieser Aussage berücksichtige ich zum einen, dass Motoröl offenbar eine Glaubensfrage ist und zum anderen, dass hier im Forum keiner seriös mit letzter Sicherheit ein bestimmtes Öl empfehlen kann.
Wenn ihr also hier einen Post von einem User lest „Ich verwende Öl XY, das kann ich empfehlen!“, dann ist das in solch einer allgemeinen und umfassenden Form schlicht Bullshit. Fragt dann einfach mal, woran konkret er diese Aussage festmacht und wartet auf die Antwort. Dann erübrigt sich in den meisten Fällen alles Weitere. Wer in nächster Zeit noch Ölfragen hat, der kann sich gerne per PN an mich wenden, ich versuche dann so gut es mir möglich ist weiterzuhelfen. Es kann aber gut sein, dass ich auf eine bestimmte Frage nur antworten kann: Ich weiß es nicht.
So Tobi, jetzt kannst du ein „a. D.“ bei meinem Namenszusatz hinzufügen.
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