Guten Morgen. Was bisher geschah.
Gestern um 2 Uhr 30 brachen mein Herr Vater und ich auf, um den Zuwachs in der Saab-Familie abzuholen. Motorisiert von einem Seat Ibiza 1.4. Wie heißt es immer so schön? "Richtig schlechte Autos werden heutzutage gar nicht mehr gebaut." Dieser Behauptung möchte ich entschieden widersprechen. Ich kenne Kleinwagen. Fiat Punto, VW Polo, Opel Corsa, Ford Fiesta, Honda Jazz ... alle schon gefahren. Alle sind nicht für 600 Kilometer Autobahnfahrt gedacht, aber es geht. Mit diesem Seat hingegen ging das nicht. Kurz vor Hannover hatte ihn mein Vater schon das „Horrorauto“ getauft. Oberhalb von Tempo 110 wurde die Karre derartig nervös auf der Straße, als ob Glatteis wäre. Lange Autobahnkurven mit Tempo 120 glichen einer Mutprobe. Ich will dem Volkswagenkonzern einfach mal zugute halten, dass dieses Auto nicht so gedacht war. Vielleicht ist ein Vormieter damit 40mal diabolisch lachend mit Tempo 40 über eine hohe Bordsteinkante gebrettert. So oder so: Die Vorfreude auf die Rückfahrt im Saab war unermesslich.
In Bayern angekommen machten wir zunächst einen Abstecher über Kitzingen, um den uniblauen 98er CSE FPT in Augenschein zu nehmen, der von einem hiesigen Mercedes-Händler angeboten wird. Resultat: So ohne Aero-Bespoilerung, mit Baumarktradkappen in dieser trostlosen Farbe kann ein 9000 aussehen wie ein sehr altes, sehr unmodernes Auto. Der Zustand war ok. Ein Brandloch in der Fahrertürverkleidung zeugt von Rauchervorbesitz. Die vordere Stoßstange ist an der Beifahrerseite kräftig angeschrammt und verzogen. Die Hintertür auf der Beifahrerseite hatte ne große Delle und eine unschöne Schramme. Alles kosmetischer Kram. Aber mein Auto war das nicht. Die Farbe ist ein echtes KO-Kriterium.
Sodann Weiterfahrt nach Nürnberg. Auf dem Händlerhof stand er schon, der CD. Frisch gewaschen und dekorativ in der Hofmitte geparkt entfaltete er den ganzen Charme eines Automobils, das irgendwie aus der Zeit gefallen ist. Der freundliche und kundige Händler führte mich nach einem strammen und geübten Plan um das und durch das Auto. Die erste Mängeldiagnose ergab: Die hinteren Radläufe haben Handlungsbedarf, auf der Fahrerseite so akut, dass man durch ein Rostloch fast den kleinen Finger stecken kann. Ursache sind hier wohl die Spritzlappen, deren Löcher im Blech Väterchen Rost eine behagliches Quartier boten. Die Frontscheibe scheint noch die erste zu sein - den Aufklebern nach zu urteilen. Allerdings war sie an den Rändern milchig, offenbar löste sich die Verklebung des Verbundglases und es schien Luft zwischen innere und äußere Scheibe zu ziehen. Eine Hintertür hatte eine leichte Beule. Sah aus, als ob die schon mal größer war und unzulänglich ausgebeult wurde. Der Motor war nicht gewaschen und trotzdem nicht verölt. Der Himmel kündete hinten mit einer handflächengroßen Beule davon, dass er irgendwann mal neu bezogen werden will. Nach dem Starten des Motors starb dieser wieder ab. Das mache er manchmal, man müsse nach dem Anlassen einmal kräftig Gas geben. Aha. So tat ich es, und er lief. Der Leerlauf war ein bißchen unruhig und pendelte zwischen 800 und 1300 Umdrehungen. Die Bordelektronik verrichtete klaglos ihren Dienst, nur die Bremslichtkontrollleuchten gingen nicht aus, und das Radio ist defekt. Auf zur Probefahrt. Er benahm sich gut. Die Automatik schaltete butterweich, die Maschine klang gesund, Lenkung und Fahrwerk machten den Kilometerstand so glaubwürdig wie der wirklich makellos gepflegte Innenraum. Nur die Kühlwassertemparaturanzeige bliebt hartnäckig bei kurz vor 7 Uhr festgenagelt. Scheinbar ein neuer Thermostat fällig. Die Papiere des Autos sind ok. Bis 2005 jedes Jahr in der Wartung bei der hiesigen Saab-Vertretung, danach in den üblichen berüchtigten Werkstattketten, um das zu tun, was eben getan werden muss. Da der Wagen seit 2005 kaum noch bewegt wurde, hat er das sicher verkraftet. Immerhin waren die Ganzjahresreifen fast neu und die Auspuffanlage ebenfalls.
Zurück auf dem Händlerhof erbat ich mir 10 Minuten für mich alleine, um meine rituellen Runden um den CD zu ziehen. Nach ungefähr 6 Minuten entschied ich: Ich nehme ihn nicht mit. Im Grunde hatte der 9000 keine Mängel, die man einem 22 ½ Jahre alten Auto vorwerfen konnte. Im Gegenteil. Aber für mich war er kein Auto der 2000 Euro-Kategorie, sondern ein Liebhaberexemplar für jemanden, der zu einem geringeren Einstandspreis dieses Auto ersteht, weil er genau dieses Auto will, und dann in dieses Auto investiert. Für meinen Gebrauch, tägliche 200 Kilometer Pendelverkehr mit einem Auto, das laufen MUSS, war er hingegen nur bedingt geeignet. Das hätte man zugegebenermaßen auch theoretisch durchspielen können, bevor man nach Nürnberg fuhr. Aber für manche Entscheidungen muss man eben vor Ort sein. Technisch kundige Menschen müssen das sein, um ihre Checkliste abzuarbeiten. Ich muss das sein, um ein Bauchgefühl zu bekommen. Bei all meinen Saab wusste ich sofort, dass es meine Saab sind (auch wenn ich mich beim 9-5 täuschte). Bei diesem Saab wusste ich: Den muss ich nicht unbedingt haben. Also: Tschüss, 9000 CD.
Der nächste Weg führte mich zur Europcar-Vertretung. Ich erklärte der guten Frau, dass ich wieder zurück nach Hamburg müsse, aber auf keinem Fall mit diesem Ding da draußen. Das sei kaputt. Ihre lakonische Antwort: „Der ist nicht kaputt. Der ist so.“ Schließlich einigten wir uns darauf, dass sie den Opel Insignia Sports Tourer rausrückt. Nicht gerade ein Auto, das mein Herz wärmt. Aber es fährt geradeaus. Ein Fortschritt. Über die 700 Kilometer Heimfahrt von Nürnberg nach Eckernförde verstand der Opel es allerdings, sich nachhaltig einzuschmeicheln. Er hatte diesen neuen 1.4 EcoFlex unter der Haube, eine beachtliche Maschine. Der Klang ein bißchen rustikal, die Schaltung ein bißchen knochig, die Beschleunigung ein bisschen zäh ... aber wenn er einmal lief, dann lief er. Und das sogar sehr schnell. Vor allem jedoch: Sparsam. Kasseler Berge unter Vollast, Vollgas mit 200 km/h, wenn die Bahn frei und das Tempolimit aufgehoben war. Ergebnis an der Tanksäule: 7,55 Liter. Das ist endlich mal ein technischer Fortschritt, den ich überzeugend finde. Dazu: Hervorragendes Fahrwerk, Stille im Innenraum, angenehme Sitzposition. Wenn man die Rabatte mitdenkt, die Opel gibt, um den Insignia irgendwie in den widerspenstigen Markt zu drücken, muss ich sagen: Ich würde das Auto in Erwägung ziehen. Ernsthaft.
Das Ergebnis der langen Reise in fremde Länder ist jedenfalls: Der Aero bleibt ein Einzelkind. Der richtige Zweit-Saab wird schon noch kommen.