Stimmt. Hier ist nicht Facebook. Und deshalb teile ich hier auch nicht die hübschen Videos von der Ankunft in Hamburg, sondern langweile euch umso ausführlicher mit der Odyssee dorthin.
Kurz gesagt: Der Sovereign kam nicht am besagten Mittwoch an.
Ich hatte eine Spedition über Shiply beauftragt. Das ist so eine Art myhammer für Speditionsleistungen. Und mit dem Ergebnis war ich auch zunächst ganz happy. Super guter Preis: 580 Euro inkl. Steuer. Versichert, kurzfristig, deutschsprachig mit Sitz in Duisburg und ausschließlich positiven Kundenbewertungen. Bingo. Dachte ich.
Real musste ich erstmal tagelang einem schriftlichen Vertrag hinterhertelefonieren, den man höchst ungern rausrückte. Aufladetermine in Madrid wurden zweimal ohne Mitteilung versäumt. Und dann auf einmal hieß es: Die spanischen Regionen, die man beim Autotransport durchqueren müsse, seien nun alle als Corona-Risikogebiete eingestuft. Der Fahrer müsse also danach zwei Wochen in Quarantäne. Das sei ihnen erst aufgefallen, nachdem der Fahrer schon an der Grenze zu Spanien stehe. Er könne natürlich einen Umweg über das Baskenland fahren. Aber das müsse man mir dann leider mit knapp 300 Euro mehr berechnen. Alles Mumpitz natürlich. Die wollten den Auftrag einfach nicht mehr. Wahrscheinlich hatten sie entgegen ursprünglicher Disposition nichts anderes mehr in der Gegend aufzuladen. Oder whatever. Ich war meine Shiply-Gebühr los (bzw. habe da jetzt 60 Euro Gutschrift, die ich nicht brauche) und stand ohne Transport da.
Gekümmert hat sich dann der spanische Händler. Er hat den Transport beauftragt. Hat statt der 580 Euro 800 Euro gekostet, ging aber auch innerhalb einer Woche reibungslos über die Bühne.
Ich verbuche es als dreifaches Lehrgeld. Erstens: Wer ein Abenteuer wollte, darf sich nicht beschweren, wenn er auch eins bekommt. Zweitens: Billig gekauft (oder in diesem Fall: beauftragt) ist zweimal gekauft - wusste schon meine Oma. Drittens: Be aware of Vorurteile. Die DEUTSCHE Spedition war ein mieser Saftladen. Der SPANISCHE Händler war super seriös. Er baute übrigens auf eigene Kosten noch eine neue Batterie ein, damit dem Jag beim Auf- und Abladen nicht der Saft fehlt.
Letzten Donnerstag kam das Auto dann auf einem Autotransporter mit diversen teureren Fahrzeugen in Bönningstedt an. Dort ist die freie Jaguar-Werkstatt im Hamburger Umland, die ich mir im Vorfeld gesucht habe.
Der Wagen hat ein paar optische Mängel, die mir bei der Probefahrt in Madrid nicht aufgefallen waren. Ich führe sie aber eher auf meine Aufregung vor Ort als auf den Transport zurück. Die Frontschürze ist auf einer Seite am Kunststoffrand etwas hässlich eingedrückt. Und die Motorhaube und ein Kotflügel haben am Rand einen sehr eigentümlichen größeren Klarlackschaden. Die Werkstatt meint: Das sieht so aus, als ob da mal jemand nach dem Lackieren eine Folie drauf liegen gelassen hat, es in der spanischen Sonne brutzeln liess, dann abnahm und dabei Teile des Klarlacks mit abriss. Der Kotflügel ist nur leicht betroffen, die Haube sieht aber schon ziemlich kacke aus. Ich wundere mich, dass mir das in Madrid nicht aufgefallen ist. Aber gekauft hätte ich den Wagen trotzdem. So what. Ich werde die Haube wohl lackieren lassen. Der Kotflügel bleibt erstmal so.
Was ich bereits aus Madrid wusste: Die Türen sind mit klassischen Parkdellen gesprenkelt, Da stimmen sie dann doch mal - die Vorurteile über Südeuropäer. Das alles rauszudrücken, wird eine echte Strafarbeit für Muttermörder.
Kosmetik beiseite. Entscheidender ist das Urteil der Werkstatt. Sie war vom Auto so angetan wie ich von der sehr fairen Beratung.
Die winzige Anrostung am Heckscheibenrahmen (ein Achtel Daumennagel) würden sie erstmal so lassen und beobachten. Weil der Dachhimmel noch original ist und nicht hängt. Denn wenn der erneuert werden muss, kommt dafür beim XJ40 sowieso die Heckscheibe raus. Und dann kann man auch gleich den Scheibenrahmen entrosten. Die geringen Anrostungen im Fahrerfussraum werden jetzt schon beseitigt. Hier ist Handlungsbedarf, wenn es kein Fred-Feuerstein-Auto werden soll.
Ansonsten zeigt sich die Karosserie im erhofften Zustand. Schweller, Hilfsrahmen ... alles rostfrei und ohne irgendwelchen reingebratenen und übergepinselten Pfusch.
Die Maschine ölt an der Ventildeckeldichtung („aber für nen Jaguar ölt der deutlich unterdurchschnittlich“). Die Querlenker müssen für den TÜV erneuert werden. Der Auspuff bläst etwas, aber nicht am Krümmer, wo‘s ärgerlich wäre. That‘s it.
Das Differential macht keine Geräusche und ist trocken - sehr selten, sagte der Meister. Noch seltener: Die originale Niveauregulierung ist noch drin. Sie funktioniert. Und sie ist dicht. Conventional wisdom wäre: Raus damit und gleich gegen konventionelle Federn ersetzen. Geht sonst sowieso bald kaputt. Aber mir widerstrebt, ein funktionierendes System aus dem Auto zu reißen.
Der Rat der Experten: „Wir machen jetzt nur das, was nötig ist, um ihn hier auf die Straße zu bringen. Dann fährst du ihn erstmal und hast Spaß damit. Und wenn du nach einem halben Jahr immer noch Spaß hast, machen wir uns an die Feinarbeit. Wir haben hier schon viele gesehen, die das Dreifache des Kaufpreises in so ein Auto stecken, weil es ihr Kindheitstraum ist. Und dann merken sie nach drei Monaten, dass es doch nicht ihr Auto ist. Bei einem XJ40 siehst du aber von dem Geld, was du da reinsteckst, beim Wiederverkauf nichts wieder.“
Dieser weise Rat der Werkstatt konkurriert jetzt mit meinem Drang zur Perfektion. Es wird wohl einen Kompromiss aus beidem geben.
Ein spezielles Thema sind noch die Reifen. Mein Sovereign gehört zum Modelljahr 90 - das letzte, in dem noch wunderschöne Teardrop-Felgen mit metrischem Maß ausgeliefert wurden. Ursprünglich kamen da TD-Reifen rauf, die abwechselnd von Dunlop und Michelin gefertigt wurden. Heute gibt es nur noch Ersatz von Avon für 1400 Euro pro Satz. Einige Fahrer älterer BMWs kennen das Problem.
Ich habe deshalb für sehr kleines Geld ein paar Roulette-Felgen erstanden, auf denen ab Werk die Daimler-Ausführung des XJ40 stand. Damit darf ich ohne Eintragung auch Ganzjahresreifen mit einem gängigen Maß fahren. Für mich erstmal eine gute Lösung.
Der Sovereign wartet nun auf die erste Vorabbesichtigung durch den Baurat, der in der Werkstatt die Vollabnahme machen soll. Wenn der gesagt hat, was er noch gemacht sehen will, steht die endgültige To Do-Liste fest. Und mit ein bisschen Glück ist der Jaguar dann Ende September auf der Straße.
Oh, und um das bei allem nicht zu vergessen: Er ist ein tolles Auto:-)
Oh, und um nochwas nicht zu vergessen: Zum Abschied klopfte der Jaguar-Meister meinem 900 aufs Dach und sagte: „Der steht ganz oben auf der Liste von Autos, die ich gerne selbst nochmal hätte.“