Onkel Kopp Ihm seine Räder - Teil "0"
In guter Erinnerung: Mein erstes Mountainbike (Giant Track, Modell 1993)
Als ich begann mich überhaupt für Fahrräder zu interessieren, wünschte ich mir von meinen Eltern ein neues Fahrrad zum Geburtstag. Das war etwa zur Zeit des Mauerfalls. Es handelte sich um ein Herren-Sportrad vom Typ Batavus „Allure“. Fahrrad des Jahres. Lila-schwarzes Rahmendesign, 28-Zoll-Räder und eine 6-Gang-Shimano SIS-Kettenschaltung mit Daumenschalthebeln. Hammer, mein erstes Rad mit Gangschaltung! Das Ding war damals in meinen Augen verdammt schnell und unheimlich sportlich. Hier mal ein Bild, habe leider nur eines der Damen-Version gefunden:
Ähm, Moment, zurück: Aus der vorherigen Textpassage muss man sich einiges auf der Zunge zergehen lassen:
Herren-Sportrad.
„Allure“ (was so viel heißt wie „Verlockung“, „Faszination“).
Fahrrad des Jahres.
Muhauahauaha, ich lach’ mich schlapp! Das Rad war rückblickend weder männlich noch sportlich. Schon gar nicht faszinierend. Und ein Fahrrad des Jahres sollte nicht dauernd irgendwelche Defekte haben. Räder wie diese blieben eine Randerscheinung und wurden vom aufkommenden Mountainbike-Trend Anfang der 90er-Jahre einfach weggespült – zu Recht. So musste Koppenen nach dem Defekt-Ärger mit dem Batavus natürlich ein Mountainbike haben.
Das Objekt der Begierde war schnell gefunden: Giant Track, 21-Gang-Schaltung mit den damals brandneuen, präzisen „Rapidfire“-Schalthebeln, die mit Daumen und Zeigefinger bedient wurden und heute immer noch Shimano-Standard sind. Schwarz, sportlich, männlich. Brust raus, Tim Taylor-Grunzen, auf schmalen Singletrails Zweige fressen, ja, das war’s! Hier wurde der Grundstein für meine Fahrrad-Leidenschaft gelegt, ab hier war nichts mehr wie es war. Dass der Giant-Schriftzug am Rahmen pink war, verschweigen wir an dieser Stelle mal…
Das Track habe ich von Anfang 1993 bis zum Frühjahr 1997 gefahren. Wie viele Kilometer da zusammen kamen, weiß ich nicht genau, da ich nie einen Radcomputer dran hatte. Nach 4 Jahren waren Kette und Ritzel sowie mittleres Kettenblatt und sogar die Schaltwerksröllchen völlig runter. Es dürften also irgendwas um die 5000 km zusammengekommen sein. Das Rad lief ansonsten völlig problemlos, es war gut, ich war zufrieden.
Aber das Bessere ist nun mal des Guten Feind, und Mitte der 90er setzten sich allmählich Federgabeln, sportlichere Geometrien und fette Alurahmen durch. Das Giant ist mehr ein Tourer, mit relativ aufrechter Sitzposition, es „steigt“ an Anstiegen relativ früh. Und im Gelände ist eine Starrgabel auf Passagen mit z.B. Baumwurzeln nicht ohne. Der Onkel wollte ein „reinrassiges“ Sportgerät, das Giant empfand ich damals als nicht mehr zeitgemäß und nicht mehr passend zu meinen Fahrbedürfnissen.
Heute muss man sagen, dass die reduzierte Optik der MTBs der frühen 90er mit Starrgabeln und dünnen Stahlrahmen in Zeiten von Downhill-Boliden, die einer Motocrossmaschine ohne Motor ähneln, seinen eigenen Reiz hat. Für einen Einsatzbereich, für den heute Crossräder gekauft werden, also Touren durch Wälder mit Schotter oder leichtem Gelände, ist ein Rad wie das Track auch heute noch sehr geeignet.
Mit erneuerten Verschleißteilen versehen verkaufte ich das Track 1997 an meinen Kumpel Markus. Kurz zuvor wurde ich noch von einer Bekannten, die das Rad noch gar nicht kannte, gefragt, ob ich ein neues Rad hätte. Ein schönes Kompliment - da hat sich die Pflege also gelohnt.
Irgendwann beschloss ich, dass ich das Rad bei Gelegenheit wieder zurückzukaufen. Im Herbst 2004 bot sich die Gelegenheit, weil Markus kaum noch damit fuhr. Das Track hatte schon etwas gelitten, war aber insgesamt immer noch in einem recht guten Basis-Zustand.
Ich habe dann einen neuen Lenker montiert, das Sitzrohr honen lassen, die defekte Sattelstütze erneuert, den defekten Sattel gegen einen farblich passenden Gel-Sattel getauscht, Bremsgummis erneuert und Bremsen eingestellt, Umwerfer und Schaltwerk eingestellt, die zu lange Kette gekürzt, gebrauchte Plattformpedale verbaut und die verschlissenen Griffe gegen bessere gebrauchte getauscht. Auch die völlig verkratzten Barends wurden gegen gute gebrauchte getauscht. Viele der Gebrauchtteile waren zuvor mal an meinem Canyon verbaut.
Gegen Ende bei mir sah es dann so aus:
Irgendwann reifte bei Markus wohl auch der Entschluss, das Giant irgendwann wieder zurückkaufen zu wollen, seine gelegentlich schmachtenden Blicke, wenn ich mit dem Rad mal aufkreuzte, sind mir nicht entgangen. Eigentlich wollte ich es für immer behalten. Aber als ich das Checker Pig eines Kollegen erworben hatte, konnte ich mich nicht so recht zwischen beiden entscheiden, sicher war ich mir nur darin, dass ich nur eines der beiden behalten wollte (ich habe einfach zu viele Räder…). Komm, du machst deinem Kumpel eine Freude und du hast ein neues kleines Projekt, dachte ich mir. Also pro Checker, contra Giant. Anfang 2009 stellte ich noch den Steuersatz nach, tauschte die Pedale zurück und übergab das Rad an Markus. Der ist immer sehr zufrieden mit dem Ding und will es für immer behalten – obwohl es ein normales Massenprodukt von der Stange ist und kein Breezer Lightning oder Yeti FRO.