Warum regt ihr euch denn alle so auf ?
Es läuft doch alles ganz normal weiter ! - in Kleinbonum
Schwäbisches Tagblatt vom 27.2.2009 :
Von Krise noch keine Spur
Regionaler Autohandel baut auf europäische Zukunft von Opel und Saab
Ohne den angeschlagenen US-amerikanischen Mutterkonzern GM haben die Traditions-Automarken Opel und Saab gute Überlebens-Chancen. Das glauben zumindest die Autohändler in der Region, die mit beiden Fabrikaten derzeit gute Geschäfte machen.
Karossen mit Kultstatus aus klammem Konzernhaus. Die Pleite des schwedischen Autobauers Saab bekommt der Tübinger Autohandel noch nicht zu spüren. Bild: Sommer
Kreis Tübingen. Die Furcht um ihren Arbeitsplatz treibt die Opel-Beschäftigten in den deutschen Werken der GM-Tochter auf die Straße. In Hailfingen dagegen demonstriert man Gelassenheit. „Weshalb sollen wir uns Sorgen machen? Weil es so gut läuft?“ Der Opel-Händler Werner Kußmaul hat Galgenhumor nicht nötig. Im Gegenteil: Die Abwrackprämie beschert ihm mitten in der größten Krise, die der Autohersteller Opel je erlebte, Traumumsätze.
Seit 20 Jahren schon ist er Vertragshändler für die Marke. In seinen Niederlassungen in Hailfingen, Rottenburg und Weil im Schönbuch lief das Geschäft in all den Jahren im Januar und Februar „immer verhalten“. Doch in diesem Jahr sei der Verkauf vor allem der kleineren Modelle „explosionsartig“ angestiegen, schwärmt der Chef von insgesamt 30 Beschäftigten. Und auch vor der Zukunft ist ihm nicht bang. „So ein gutes Unternehmen werden die sicher nicht fallen lassen“, glaubt Kußmaul und meint mit „die“ nicht nur „den Staat“. Denn neben Staatshilfen für das Unternehmen kann sich der Geschäftsmann auch eine Unterstützung seitens des Verbands der Opel-Händler vorstellen. Eines sei klar: „Ohne GM können wir auf jeden Fall gut leben.“
„Das Beste ist, wenn sie von GM weg sind“, findet auch der Tübinger Ralf Lindenschmid. Die Familie verkauft in der Bebenhäuser Straße bereits in der dritten Generation Autos der Marke Opel. Auch hier boomt derzeit das Geschäft mit den Neuwagen – der Abwrackprämie sei Dank. Gefragt sind vor allem die Modelle Corsa und der als City-Flitzer beworbene Agila.
Keiner weiß,
was los ist
Sicher, auch die Kundschaft mache sich so ihre Gedanken. Viele fragen beim Tübinger Opel-Haus nach, was wohl aus dem einst von Adam Opel in Rüsselsheim als Nähmaschinenfabrik gegründeten Unternehmen werde. Doch schlauer ist man beim Händler auch nicht: „Keiner weiß, was los ist“, sagt Lindenschmid über die Firma, die 1929 vom US-Konzern General Motors aufgekauft wurde. Doch bei aller Unsicherheit: „Die Leute kaufen trotzdem Opel.“ Lindenschmid kann nur hoffen, dass es dabei bleibt.
Schlimmer noch als Opel hat es mit Saab eine weitere GM-Tochter erwischt. Die schwedische Edelmarke meldete bereits Insolvenz an. Ein Käufer für den Hersteller der markant-kantigen Limousinen ist bisher nicht in Sicht. An der Tübinger Kundschaft aber kann es kaum liegen, dass der skandinavische Autobauer seit Jahren keinen Gewinn mehr macht. Nirgends scheint die Saabdichte höher als in der Unistadt. Als „solide und markentreu ohne Ende“ beschreibt Wilhelm Heim den typischen Saabfahrer. Seit 1987 vertreibt der 62-Jährige die schwedische Automarke, deren Modelle als ausgesprochen sicher gelten. Damals baute Heim sein Autohaus in der Derendinger Ernst-Simon-Straße und sattelte von Subaru um auf Saab. Von der Pleite des seit dem Jahr 2000 vollständig von GM aufgekauften Unternehmens hat Heim offiziell noch nichts mitbekommen. Man habe den Händler lediglich mitgeteilt, dass „die Garantiegeschichte weiter laufen“ könne.
Die Kunden indes halten dem Händler ihres Vertrauens auch in der Krise die Stange. Wilhelm Heim spricht von einer „überraschend starken Solidarität“, die bis zu E-Mails reiche, in denen Heim ermuntert wird, senkrecht zu bleiben, es gehe schon wieder aufwärts. Einem langjährigen Kunden, einem Arzt, hat er sogar versprechen müssen, Bescheid zu sagen, sollte es zum Ausverkauf der Edelkarossen kommen. „Der will dann den letzten haben“, berichtet Heim amüsiert.
Dass auch ihm der Humor noch nicht vergangen ist, mag daran liegen, dass es bei Heim seit dem vergangenen Jahr neben alten und neuen Saab-Modellen auch Opels zu kaufen gibt. Deshalb profitiert man auch in der Ernst-Simon-Straße „ganz gravierend“ von der Abwrackprämie. Die Opelkunden seien da doch „etwas sensibler“, spricht Wilhelm Heim die Mitnahme-Mentalität seiner Neukunden an, die der auch „finanziell soliden“ Saab-Käuferschaft offenbar ferner liegt.
Dass Opel untergeht, glaubt auch der Saab-Fan Heim nicht. Seiner Ansicht nach, sollten sich der deutsche Autobauer Opel, die britische GM-Tochter Vauxhall und Saab zusammenschließen. Dann noch eine Finanzspritze seitens der EU dazu, und „die Kuh wäre absolut vom Eis“, glaubt Heim.
Neubau für die
Neuwagen
Bei den Heims baut man jedenfalls auf die Zukunft von Saab und Opel. Und das im wahrsten Wortsinn – in Form eines neuen Autohauses in der Hechinger Straße. Beim Bau gab es einige Verzögerungen. Doch spätestens diesen Herbst soll die neue Dependance fertig sein, sagt Thomas Heim. Er will das Geschäft mit den Neuwagen von Opel und Saab gemeinsam mit seinem Bruder Peter führen und stellt weitere Arbeitsplätze in Aussicht. Dank der Aufnahme von Opel ins Heim-Sortiment hat sich die Belegschaft in der Ernst-Simon-Straße bereits im vergangenen Jahr von zehn auf 14 Mitarbeiter vergrößert.
Vater Wilhelm bleibt in der Ernst-Simon-Straße – als Ansprechpartner für „Saab-Menschen“, wie er einer ist. Seiner automobilen Leidenschaft kann die aktuelle Krise auf jeden Fall nichts anhaben: „Ich fahr bloß alte Saab“, bekennt er. Sein ältester ist Baujahr ’59, der jüngste ’76. Und Ersatzteile hat der 62-Jährige auch genug auf Lager.
http://tagblatt.de/2939104/Nachrichten/Thema+des+Tages