Lieber Frank und alle, die auch ab und an die Rentner von der Seite anschauen und um damit mal aufzuräumen: Jeder Rentner hat ein Arbeitsleben mit Erfahrungen hinter sich, das meistens länger war als bei jedem Anderen. Rentner können also nicht nur "gut reden", man sollte ihnen auch "gut zuhören".
Nun dazu:
Wir sind früher mit den Bussen zur Arbeit (nicht Büro) gefahren, morgens Viertel vor Sechs, produzierender Industriezweig. Arbeitsbeginn und Feierabend war pünktlich, weil der Bus wartet nicht. Die Busse und Bahnen waren rammelvoll. Im Frühling, Sommer und Herbst mit dem Fahrad oder Qickly zur Arbeit gefahren. Manchmal bist du halt pitschnass dabei geworden. Später zur weiterführenden Schule ca. 80 km täglich nach Stuttgart, zwei volle Jahre lang. Dabei Fußweg von 10 min, danach Busfahrt von ca. 30min, danach Bahnfahrt von ca. 50 min. Danach Fußweg von 15 min .... und das Ganze dann am späten Nachmittag zurück. Die KFZ-Zeit begann erst später .... Bundeswehr. Jede Menge Fahrgemeinschaften kaum einer kam da alleine. Danach Studium in KA. Klar man hatte eine Bude, finanziert mit BAFöG-Mitteln aber zum gelegentlichen Hin- und Zurückfahren an den Wochenenden dann ein Auto. Fahrt zur Uni, da nahm kaum einer das Auto, viel zu teuer und unpraktisch wegen Parkplatz. Straßenbahn war hier angesagt mit entsprechenden Fußwegen zu den Haltestellen. Später dann immer noch Studium aber verheiratet, neue Wohnung außerhalb, da ging das Drama dann los. Günstige Wohnung aber schlechte Anbindung des ÖPNV. Nach 1 Jahr Quälerei mit nur einem Auto dann Umzug in Stadtnähe mit der Möglichkeit das Fahrrad oder Bus und Straßenbahn zu nutzen. In meiner Münchner/Freisinger Zeit fast alles zu Fuß oder ÖPNV oder Fahrrad. Erst als wir hier im Rhein-Neckar-Dreieck gelandet waren, inzwischen Büro-Job, kam die Autofahrzeit, aber doch meist nur mit einem Fahrzeug. Ich gebe zu, auch Straßenbahn wäre möglich gewesen aber dazu war ich inzwischen zu bequem geworden. Jede Ausrede war mir willkommen: Flexible Arbeitszeit, schlechter Zustand der Straßenbahn, Wetter, etc. Erst die letzten Jahre, obwohl ich Dienstwagen hatte, entdeckte ich zunehmend wieder das Fahrrad. 22km morgens und abends sind nicht zu viel. Nur im Winter und bei entsprechendem Wetter hat man aufs Auto zurückgegriffen. Es waren wenige die es mir gleichgetan haben.
Es ist die Bequemlichkeit des Einzelnen, die uns in den Verhaltensmustern erstarren lässt. Die viel gerühmte Jugend, die es heute soooo schwer hat kann ich überhaupt nicht bedauern. Meine beiden: Die eine hat gerade mal 1 km zur Arbeit, die fährt mit dem Auto anstatt zu Fuß zu gehen und etwas für Kreislauf und Gesundheit zu tun. Mein Sohnemann mit absolut geregelter Arbeitszeit fährt täglich gechillt im 3l-V6 Automatic-Daimler zu seinem geregelten Arbeitsplatz anstatt die 10 km wenigstens ab und zu mal mit dem Rad auf durchgehenden Fahrradwegen zu nehmen. Das ist einfach nicht richtig "cool". ÖPNV geht da nicht, weil Schichtarbeit, davon abgesehen ist ÖPNV "bäh".
Neee, die heutige Gesellschaft will das so, das ist der Kern der Wahrheit .... und deshalb wird es wohl auch noch lange so bleiben. Die Not ist einfach nicht groß genug, deshalb sage ich immer die Kosten für den Individualverkehr sind effektiv zu gering, gemessen an der allgemeinen wirtschaftlichen und Einkommenssituation. Das Ergebnis sehen wir jeden Tag am Morgen und am Abend und manchmal auch unter dem Tage an den endlosen Staus, dem endlosen Verkehrsstress, dem Stress zur Suche nach Parkplätzen, dem Stress bei Verkehrsunfällen mit eigener Beteiligung, dem täglichen Rennen auf bundesdeutschen Straßen.
Insofern hat Frank Recht: Ich habe da jetzt als Rentner wirklich gut reden.