Willkommen bei den Bayerischen Mercedes Werken
Von Thomas Hillenbrand
In der Krise versuchen die großen Autohersteller, durch Kooperationen und Technologieaustausch Geld zu sparen. Bei seelenlosen Kleinwagen mag das prächtig funktionieren - die geplante Zusammenarbeit von Mercedes und BMW bringt Fans hingegen mächtig auf die Palme.
Kollege C. ist ein besonnener Mensch, eigentlich. Als ich ihm aber von der geplanten Kooperation zwischen Daimler und BMW erzähle, schnellt sein Blutdruck erkennbar nach oben. "Ich will", keucht er, "keine Teile aus München in meinem Benz. Nicht mal einen Rückspiegel!" In seinen Mundwinkeln bildeten sich kleine Schaumflöckchen.
Mercedes Benz oder BMW: Das ist eine Glaubensfrage.
Stuttgart und München wollen künftig gemeinsam Komponenten einkaufen oder entwickeln - Scheibenwischer sind im Gespräch, aber vielleicht auch Motoren. Das britische Automagazin "Car" phantasiert gar, die Mercedes C-Klasse und der 3er von BMW könnten irgendwann aus dem gleichen Baukasten kommen - so wie Toyota Aygo und Citroën C1.
Bei Allerweltskleinwagen mag so etwas reibungslos funktionieren. Das liegt daran, dass Besitzer solch kleiner Kisten ihre Pkw-Marke nicht aus tiefer religiöser Überzeugung gewählt haben. Sondern um Aldi-Tüten zu transportieren.
Fans von BMW und Mercedes hingegen neigen zum Zelotentum und lieben einander so innig wie Opus-Dei-Anhänger und methodistische Freikirchler.
Braungebrannt auf der Überholspur
Die beiden Fraktionen haben ein eher verzerrtes Bild des jeweils anderen. Der prototypische BMW-Fahrer aus Stuttgarter Sicht: Mitte vierzig, trägt mit Vorliebe taillierte italienische Anzüge, die einen Tick zu eng sind. Er ist mit einem Skifahrer-Teint und einem eingefrästen Gewinnergrinsen ausgestattet. Kurz: Er sieht aus wie der Monaco-Franze in seinen besten Zeiten. Der BMW-Pilot ist immer spät dran, weswegen er auf der Autobahn stets links fahren muss, mit Dauerblinker.
Und Mercedes-Piloten? Schnauzbart, Bierbauch, Hang zu senffarbenen Wildlederblousons. Das unsportliche Erscheinungsbild des Fahrers harmoniert in unerfreulicher Weise mit den Fahreigenschaften seines Automobils, das auf entspanntes Gleiten ausgelegt ist. Oder anders gesagt: auf das Blockieren der linken Spur.
Manager beider Marken beteuern unisono, man werde gaaanz behutsam vorgehen. Das ist leichter gesagt als getan. Lamborghini ist ein gutes Beispiel: Vor einiger Zeit saß ich im Cockpit eines Gallardo. Dort riecht es förmlich nach Audi. Das gleiche gilt für VW und Skoda - in den Modellen des Wolfsburger Konzerns hat man dauernd Déjà-vus, weil man diesen Kippschalter oder jenen Drehregler schon einmal woanders gesehen hat.
Früher war alles viel früher
Ähnliches blüht demnächst der Klientel von BMW und Benz. Ich persönlich würde jederzeit etwas BMW im Benz akzeptieren, wenn ich im Gegenzug schönere Ledersitze oder ein besseres Navigationssystem bekäme.
Für den Kollegen C. ist derlei hingegen undenkbar. Er ist Mercedes-Purist und als solcher ähnlich flexibel wie ein nordkoreanischer Parteisekretär. Er hat nie verwunden, dass die Stuttgarter die schönen Chromleisten aus dem Programm genommen haben. Das war 1985. "Der W123", seufzt er, "das war noch ein schönes Auto".
Dann klingelt C.s Handy - ein iPhone. Apple, das ist auch so eine Premiummarke mit fanatischen Fans. Im Inneren des kalifornischen Kleincomputers steckt allerdings - Verzeihung - ausschließlich chinesischer Elektroschrott. Anders als bei BMW oder Mercedes stört dieser Umstand aber seltsamerweise niemanden.