Auch wenn ich rätsel, was cartier60 wohl machen könnte (Rechtsanwalt mit besonderem Klientel?), ist das Image des Autos bei selbständigen Unternehmern wirklich ein Problem. Wer zu Kunden fahren muß, muß nicht selten unvereinliches verbinden: Das Auto darf nicht schäbig und ärmlich sein, weil das die Aussage haben könnte, daß der Mann in seinem Job nicht gut ist, der Wagen darf aber auch nicht zu teuer ausfallen, weil das auf zu hohe Rechnungen hinweisen könnte.
Es gibt also durchaus Lebensbereiche, wo der Autokäufer sich viel Gedanken um Image und Wirkung seines fahrbaren Untersatz machen muß, auch wenn ihm das eigentlich persönlich weniger wichtig wäre.
Das Problem ist immer die Erwartungshaltung des Gegenübers, auf die man wenig Einfluß hat. Wer schon so erfolgreich ist, daß es ihm egal sein kann, auch mal potentielle Kunden durch ein aus deren Sicht falschen Auftritt zu verlieren, der wird es nicht so eng sehen, aber wer um jeden Kunden kämpfen muß, der hat da wirklich ein Problem. Eben weil der eine potentielle Kunde andere Vorstellungen als der nächste hat und man vorher nicht weiß, was das Gegenüber erwartet. Dazu mal eine Erfahrung von mir aus jüngster Zeit, in der es zwar nicht um Autos, aber um Erwartungshaltungen geht:
Ich hatte ein Vorstellungsgespräch und wir sprachen über Erfahrung in bestimmten Bereichen. Auch Lebensläufe und Zeugnisse stellen die nicht immer vollständig dar. Nun hatte ich alles, was in der offenen Position zu tun gewesen wäre in ähnlicher Form schon gemacht und reagierte auf jede Frage nach Erfahrungen in einem bestimmten Bereich wahrheitsgemäß mit einer positiven Antwort. Der Mann reagierte aber nicht erfreut, sondern verärgert. Er gab ganz offen zu erkennen, daß er mich für einen Schwindler und Aufschneider hielt. Völlig zu unrecht, aber es war halt so. Er hatte sich wohl fest darauf eingestellt, daß sich sein neuer Mitarbeiter mit einigen ihm unbekannten Techniken erst vertraut machen müßte, daß er nicht glauben konnte, zufällig einen wirklich gut zur Stelle passenden Bewerber vor sich zu haben. Ich habe natürlich eine Absage erhalten.
Ob nun bei einer Bewerbung oder bei einem Kundenbesuch: Kennt man den Gesprächspartner noch nicht, kann man vorher nie sagen, was sich ergibt, weil man die Erwartungen des anderen einfach nicht kennt. Man ist letztlich gezwungen auf Schubladen zu setzen, weil sie den wahrscheinlichsten Fall abbilden. Deshalb ist die Wahl des Autos von Renés Freund absolut plausibel: Wer Geschäfte mit Partnern auf Augenhöhe macht, der kommt auch in Gesprächen mit dem Spiegeln am besten zu seinem Ziel. Sich ähnlich zu verhalten (und das beinhaltet eben auch Kleidung und Autos) schafft eine Verbindung und Vertrauen. Das ist in der Psychologie schon ewig bekannt und es wird nicht selten in Verkaufsseminaren u. ä. auch geschult. Spiel den Affen, mache Deinem Gegenüber alles nach und er wird Dir vertrauen.
Gruß Michael