Albuquerque Nr. 1
Die Geschichte zum Beitrag vom 3.05.:
Ahahahaaaalbuquerque.
Drei Maenner, zwei Fahrer, ein Wagen, null Zweifel.
Der Countdown beginnt um exakt 6 o'clock an einem Freitagmorgen. Vor uns liegen ca. vier Stunden Highway (wobei mit "highway" hier so gut wie alles bezeichnet wird was ausserstaedtisch Dich asphaltiert irgendwo hinfuehrt - somit ist wohl "Interstate" passender, aber "Highway" klingt weiter, und in meinem bisherigen Wortverstaendnis auch passender) gen Norden. Dazwischen eine "inspection station" (Border Patrol Checkpoint), an der gefragt wird, und an der ich fuer gewoehnlich problemlos vorbeikomme. Das geht nicht jedem so.
Solche Checkpoints gibt es hier im Umkreis um El Paso an jeder Route, die gen Westen, Norden oder Osten fuehrt. Sueden nicht, denn da liegt Mexiko. Um es deutlicher zu sagen: auf Asphalt gibt es kein Drumherumkommen.
Was das fuer die Menschen bedeutet, die ohne Dokumente/Papiere versuchen diese Checkpoints zu umgehen? Genau das, was das letzte Wort des vorherigen Satzes sagt: umgehen. Und umgehen bedeutet: Wueste. Wueste ohne Versteckmoeglichkeit, flach, und vor allem Hitze, Hitze, Hitze. Hinzu kommt, dass ein "Umgehen" nicht ein einfaches Hindernisumlaufen ist. Es gilt, nicht entdeckt zu werden, und die Ueberwachung ist scharf. Gelegentlich sogar mit Hubschraubern. Ich kann die vorherrschende Hitze nur wenig beschreiben. Es ist nicht nur heiss, sondern es brennt. Und sich drei, vier, fuenf Stunden oder gar einen halben Tag durch diese Oednis zu bewegen ist Strapaze. Freiheit ist nicht ueberall, nicht einmal die koerperliche. Da ist es manches Mal gar "einfacher", auf einen Gueterzug aufzuspringen. Trainhopping. Im Vergleich zu anderer Leute Freizeitgestaltung und guenstiger, einen Kick gebende Fortbewegungsmoeglichkeit ist es hier das Mittel zum Zweck "herauszukommen". Den Sicherheitskorridor zu ueberschreiten.
Und so ein Eisenross ist mehr als nur respekteinfloesend. Geschwindigkeit, Metall ohne jegliche Moeglichkeit nachzugeben, das wird schnell zur Waffe- waehrend drumherum immer die Gefahr lauert erwischt, aufgeschnappt und ins Ursprungsland zurueckgebracht zu werden - "deported".
Die Gruende, diese ganzen Risiken auf sich zu nehmen sind weniger bzw. bei Weitem nicht nur oekonomischer Natur. Es ist die Angst, die vom Zuhause wegtreibt, die Gewalt, die Erpressung. Zivilisierter Umgang miteinander ist etwas anderes.
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Dennoch habe ich hier meine Tage, an denen ich fuer mich unterwegs bin. An denen ich (weit) herausfahre und dies hinter mir lasse. Kraft tanke, andere Horizonte sehe, mich ablenke, meinem Hobby nachgehe. Nicht nur einmal ist in diesem Zusammenhang das Wort "healthy" gefallen. In der Schule habe ich "healthy" als gesund kennengelernt, es beinhaltet aber noch viel mehr. Wenn irgendwann der Punkt erreicht ist, dass man hinter diesen Schulschatten (den ich damit nicht verurteilen moechte, bildet er die Grundlage, die Hilfe das Laufen zu lernen und die ersten Schritte zu tun in fremder Sprachumgebung) blicken kann, stellt sich das Gefuehl ein die Sprache verstanden zu haben. Mir geht es nicht allzu oft so, doch bei einigen Woertern klappt es: healthy ist eines davon.
Es ist "healthy" sein Hobby zu haben. Einen Kontrast, eine Art Apparat um das Ganze beim Wiederzurueckkommen von Neuem zu sehen. Womoeglich vermeidet das auch Betriebsblindheit, bevor sich Gewohnheit einstellt und der kritische Blick abhandenkommt.
Koennt Ihr mir folgen?
Wenn nicht, dann ist das auch nicht schlimm. Folgt mir weiter nach Albuquerque:
Die Maschine brummt fleissig und fluessig, die Bahn ist nicht allzu stark befahren. Ausserhalb der Staedte findet groesstenteils LKW-Verkehr statt. Hier wird weniger auf "die Autobahn" gefahren um weitere Entfernungen zurueckzulegen. El Paso ist auch recht isoliert gelegen, bzw. wird das von Einheimischen haeufiger so beschrieben. Auf dem Weg nach Albuquerque liegen Las Cruces und einige wenige kleinere Ansiedlungen. Das ist nicht wie Muenchen-Nuernberg-Hof-Jena-Leipzig-Berlin an einem Strang. Dichte Besiedlung ist etwas anderes. Weit mehr als ein Viertel der Bevoelkerung New Mexicos lebt allein in Albuquerque. Wofuer mit dem Auto fahren, wenn das Flugzeug viel schneller und unkomplizierter ist (man hat ja nichtmal das Steuer in den eigenen Haenden zu halten?!). Als weitere Alternative gibt es die vielen Fernbusse (Greyhound als ein etwas bekannteres Beispiel). Dementsprechend bietet sich dann folgendes Bild an einem der wenigen Halte:
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Das schliesst dennoch den Spass nicht aus. Bei gemuetlichen 65-70mph (was so ungefaehr 110km/h entspricht) ist dennoch ein gutes Vorankommen moeglich. Vor der Ausreise dachte ich ja immer, dass mir die Geschwindigkeit fehlen koennte, dass das langsam waere, und diese ewig langen Geraden erst recht zum Heizen motivierten. Dem ist hier nicht mehr so. Im dichteren Stadtschnellverkehr stellt sich ein Fluss ein, den ich beeindruckend finde. Es laeuft einfach. Drauffahren und mittendrin sein.
Und das Pfeiftuet hebe ich mir bei der ganzen drucklosen Fahrerei auch fuer die "richtigen Momente" auf. Meist reicht es zu wissen, dass ich/wir koennte/n. Und wenn dann doch mal nicht, ist das Anhimmeln beim Rasten moeglich. Tuurb-ooo.
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Weiter also...
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Kurz nach Oeffnung des letzten Paradieses fuer die SAAB (siehe obige Liste), an dem ihre Koerper noch die letzten Teile spenden koennen, treten wir durch die Tore und bleiben am ersten Objekt haengen. Fuer den ganzen Tag. Knappe sieben Stunden an einem Wagen. Mit einer Mischung aus Freude und Mitleid. Mitleid, dass dieses Exemplar dort steht, Freude, dass noch so viel Brauchbares dran ist. Das Blech ist nahezu makellos. Mindestens 90% der Fahrzeuge stehen dort nicht wegen Karosserieschaeden. Ich konnte an dem 1986er 16Vi Sedan auch nichts entdecken, das darauf schliessen liess, dass ein techn. Defekt ihn dorthin gebracht hat - er war eines der Paradebeispiele dafuer, dass aus verlorener oder gar nicht erst vorhandener Lust und Laune dort landet, was vielleicht die verstorbene Verwandtschaft in der Garage uebriggelassen hat. Bis auf die ueblichen Sonnenschaeden im Innenraum gab es nichts, was ich dem Wagen irgendwie haette "anlasten" koennen - im Gegenteil: neuer Auspuff, nahezu makellose Front, guter-sehr guter Originallack, unbeschaedigter Chromzierrat, nicht weit ueber 100.000 Meilen, und die Liste liesse sich lang so fortsetzen.
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Den Wagen haben der Mitbeteiligte und ich so gut es uns moeglich war innerhalb des Zeit- und Wetterrahmens ausgenommen. Zum Abarbeiten der speziellen Teilewunschliste kamen wir kaum, es hiess einfach drauf los und das raus, was zu allererst am wertigsten und wichtigsten (es mitzunehmen, zu retten/mit ueber den Teich zu schicken) erschien.
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Das fuellte den Freitag im Tagesverlauf, und wir verliessen den "Hof" mit dem Wissen und Gruebeln, dass das nur das erste Exemplar von vielen weiteren gelisteten war. Noch mehr: innerhalb des Tages wurde ein weiterer Sedan angeliefert, der uns beim Herausgehen hinter dem Zaun anblickte.
Nach Fuellung kommt Mantel. Wie bei einer Praline. Die Zunge leckt genuesslich die Schale (Anreise), dann beisst sie und geniesst den Kern der Sache (junk yard), und letztlich kommt mit dem letzten Teil in den Mund der verbliebene Rest des Mantels mit hinein. Zur Abrundung also: SAAB.
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Eins, zwei, drei, vier... Nr. 5 in Reparatur, daher nicht mit auf dem Bild. Geil!s zweieiiger Zwilling ist auch Modelljahrgang '85, ist auch rot, ist innen auch hell und bereitet seinem Frauchen genauso viel Freude wie meiner seinem Herrchen.
"Wieviel Meilen hat er denn runter?"
"Auf dem Tacho stehen zwohundertXXXXXXtausend, aber der hat vor einigen Jahren aufgehoert zu zaehlen."
Nachverfolgung ist ueber grobes Ueberschlagen der Jahresfahrleistung moeglich. Das ergab dann irgendwas ueber 400.000km. Irgendwas.
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Der naechste Morgen beginnt fuer uns frueh und wir gurken durch Albuquerque auf dem Weg zur guenstigsten Tankstelle, die an der sowieso zu fahrenden Strecke liegt. Nr. 1: nur fuer Mitglieder.
Nun gut, dann zu Nr. 2, die wiederum auf dem (durch zuvor gewaehlten Weg) Rueckweg liegt: noch nicht geoeffnet. Och nee.
Der inzwischen sich neu ergebene Weg spuckt eine Nr. 3 aus, also hin da und... "only members". Inzwischen ist die angedachte Ersparnis durch die "verfahrene Situation" dahin, aber die Belustigung umso groesser. Naja, und "auf der Strecke" liegt sowieso nichts mehr, da wir von Punkt zu Punkt uns mehr verfaselt haben. Hier und da gibt's aber nette Dinge zu sehen. Albuquerque ist ein wenig die Ballonstadt "hier". Ueberall heisse Luft. Dort wenigstens in Huellen gepresst, in El Paso umgibt sie mich inzwischen taeglich. Dass ich fuer kuehlere sorge, mag ich aber auch nicht behaupten.
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Zurueck zum Schrottplatz und damit Sedan Nr. 2. Ich bin der erste am Objekt, das erkennt man daran, dass der Bordwerkzeugkasten noch nicht geleert ist. Frisch positioniert und noch ofenwarm, soeben vom Gabelblech in die Ablage gerutscht. "Ich haette gerne zwei Doppelte (einmal von den Sedanrueckleuchten und einmal von den vorderen Kombinationsleuchten), eine dieser verbrannten Nussecken (Plastikabdeckung Aussenspiegel innen), ein paar von den Lakritzrollen (Stopfen) und zwei Amerikaner, aber bitte die mit unbeschaedigter Glasur (Felgendeckel)"
Sweet!
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Und wenn ich dann einmal beim Baecker gewesen bin und nur noch der Nase nachging, sind die Augen groesser gewesen als der Kofferraum. Als der Kofferraum eines... 900 Sedan. Deswegen fahr' ich ja 900 CC, denn da passt alles in den Kofferraum (wenn ich ihn mit etwas Schummeln vergroessere). Jeeedenfalls: mit all den leckeren Sachen im Gepaeck verliessen wir dann Samstag nach ca. 5 Stunden Arbeit und Vergnuegen mit reichlicher Beladung die Stube der Koestlichkeiten.
Packe packe Kuuuchen, der Schrottplatz hat geruuufen, wer will gute Teile sacken, der muss logisch guenstig packen, Gummi und Stahl, Stange und Pfahl, Knilch und Proll, StRudel macht den "trunk" ganz voll, schieb schieb in Geil! rein.
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DAS ist Ressourcennutzung. Umgeben von aaaaaaahahaall diesen Kabinerhaken mit Ladeflaechen (die, ganz besonders praktisch, haeufig gar kuerzer sind als der Kofferraum des 900ers bei umgeklappter Rueckbank).
"Ich bin kein Pick Up, holt mich hier raus" - willkommen in den Suedstaaten.
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Ist das noch normal? Aber selbst normal: was ist das schon noch.
(wieviele zaehlt Ihr?)
Los jetzt aber. Heimwaerts. Doch selbst mit vollem Kofferraum unterbindet das nicht den Willen, noch ein wenig mehr zu sehen. Wenn wir grad mal unterwegs sind... letztlich fuehrte das zu mehr als doppelt so langer Reisezeit wie auf der Hinfahrt: macht aber nischd, der Weg ist das Ziel.
Die Route 66 schneidet Albuquerque, und so fanden wir uns, gar nicht so geplant, auf dieser wieder. Und der nun zum Mitfahrer mutierte Hinfahrer wachte auf, zueckte die Kamera und schoss um sich.
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Und, wieviele Pick Ups zaehlt Ihr jetzt?
Sie sind uuuuueberall.
Raus aus der Stadt und rein ins Vergnuegen. Weiterhin munter, also weiterhin Bilder. Ach, und weiterhin diese... Ihr wisst schon.
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Mit mehr Strecke werden's aber auch weniger Verkehrsteilnehmer, die Bevoelkerungsdichte sinkt wieder und wir sind ziemlich fuer uns allein. Die drei Maenner mit der einen Mission. Und den anderthalb Autos.
Ach, fuer den Bildungsauftrag noch einen kurzen Einwurf, bevor ich den dritten Mann erklaere:
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Der dritte Mann ist ohne dritte Zaehne, reisst aber das Maul so weit auf, als haette er noch nie die ersten gehabt. Koennte auch zutreffen, er ist mir als Spende zugelaufen und ich habe ihn, so lieb und "ertragreich" wie ich doch bin integriert. Kermit.
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(fuer die Quote: drei Bilder - ein Pick Up)
Wir passieren kurze Zeit spaeter das Shaffer Hotel - seit kurzer Zeit gibt es auch eine eigene Internetseite, wir haben nicht weiter gestoppt, sondern sind ziemlich schnurstracks weiterhin durchgefahren. Diese Gelegenheit, so dachte ich mir, wird nochmal kommen. Das Interesse war in dem Moment auch nicht soo gross, und ewig weit entfernt ist es auch nicht. Der Schrottplatz in Albuquerque erhaelt regelmaessig Zuwachs, die Verlockung besteht also. Zudem am Wochenende die Premiere von Circle the Wagen stattfindet... ich bin aber nicht vor Ort. Irgendwann ist die Knete alle und so ganz allein? Diesmal nicht. Dem Verlinker dennoch lieben Dank, ich behalte es weiterhin im Sinn, vielleicht wird er hier irgendwo einmal gezeigt, auch wenn mir die Bulliparade durch die Lappen geht.
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Und immer noch Kermit. Wenn's geeeeeraaaaadeeeeaaaauuus fuehrt, und das einzige, was unseren Weg kreuzt ein Tumbleweed ist (die Dinger, die in "gottlosen" Gegenden immer durch die Praerie kullern), den ich im rechten Moment auch noch direkt unter die Raeder nehme (der Beweis, dass das Airflow-Kit doch ein bisschen was aushaelt, ein bisschen was), ist's mit dem Rumspielern nicht so die Sache. Route 55 ist laaaang. Die Kurven lassen sich an zwei Haenden abzaehlen. Das will ich nicht unbedingt noch einmal fahren.
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Und es fuehrte weiterhin geeeeeraaaaadeeeeaauuuuus (nun auf Route 54)... (fuer mich eines der bisherigen Lieblingsbilder)
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"Hurry Luigi, we have to save princess Peach"
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Noch einen kleinen Abstecher ueber Route 380 - Route 37 - Route 48 - durch Alto - durch Ruidoso - auf Route 70 gemacht und zurueck auf Route 54 und wir kommen am spaeten Samstagabend zurueck nach El Paso. Muede, abgearbeitet, doch erfuellt. Ohne Zweifel.
Fehlte nur noch, den Inhalt aus dem Baeckerleckerlieferwagen ins halboffene Transportmittel zu verfrachten. Aber das war dann noch eine andere Geschichte...