Alma kommt

Mal wieder etwas aus der Abteilung Fun Facts der Turbo-Pionierjahre:

„Die Techniker kämpften bei ihrer Arbeit zum Teil mit Gegenwind. Der Vertrieb zeigte kein großes Interesse für die Turboaufladung. Sie war international zu wenig erprobt. Es wurde damals eine lange Reihe von Probefahrten durchgeführt. Viele davon endeten im reinen Fiasko. Auf dem Fabrikgelände in Trollhättan standen zeitweise massenhaft Autos mit verkohlten Motorhauben – Folge der überhitzten Motoren. Als einer der ersten Saab mit Turbo auf Probefahrt unterwegs war, drohte das gesamte Projekt zu scheitern. Der Turbomotor fing Feuer. Und zwar nicht irgendwo, sondern genau auf der Straße vor der Volvo-Fabrik in Torslanda. Der Pförtner eilte mit einem Feuerlöscher herbei und half dem Fahrer, den Brand zu löschen. Doch Volvo blieb weiter im Unklaren über das geheime Experiment des schärfsten Konkurrenten.“

Aus: Jan Hökerberg. Spelet om Saab. Stockholm 1992.
 
"Zu einem der VIP-Mittagessen, die zur Markteinführung des Saab 9000 Turbo 16 im Grand Hôtel in Stockholm stattfanden, wurde auch Volvo-Chef Pehr G Gyllenhammar eingeladen. Doch er wurde wieder ausgeladen, als er seinen Wunsch mitteilte, eine Rede halten zu dürfen. Er kam trotzdem und hielt unaufgefordert eine Rede, in der er gratulierte. Der 9000 scheine ein formidables Auto geworden zu sein, und er habe großen Respekt für die Scania-Division(!). Auf dem Weg nach draußen drückte er einem Saab-Verkäufer eine Ledermappe mit seinen Initialen PG in die Hand. Die Mappe enthielt das Angebot, einen Saab 9000 zu erwerben. Zur allgemeinen Verwunderung hatte Gyllenhammar dieses Angebot angenommen. Der Wagen – mit Schiebedach – sollte in Göteborg ausgeliefert werden. Aber Saab bekam die Produktion einfach nicht in Gang. Nach einer Zeit rief Gyllenhammar persönlich an und erkundigte sich, wie lange es denn noch dauern solle. Es dauerte geschlagene acht Monate, bevor der höchste Volvo-Chef sein Auto bekam. Damit war er über die Lieferschwierigkeiten des Erzrivalen bestens im Bilde."

Aus: Jan Hökerberg. Spelet om Saab. Stockholm 1992.
 
Ich lese noch immer das Buch von Jan Hökerberg. Auf jeden Fall das interessanteste und faktenreichste Buch über Saab, das ich kenne. Vielleicht auch deshalb, weil der Autor zwar Respekt für die Produkte hat, aber wenig gute Worte für das Management der Saab-Scania-Jahre findet: Von den internen Spannungen zwischen dem Dauersorgenkind Saab und der hyperprofitablen Scania-Division, der Zergliederung der Automobildivision zwischen Trollhättan und Linköping (und der Motorentwicklung unter Scania-Verantwortung in Södertälje), der mangelnden Abstimmung der einzelnen Unternehmensteile und vollständigen Abwesenheit strategischer Planung für die Autosparte (die schon Ende der 70er nur weiterleben durfte, weil die Abwicklung zu teuer war), den zahlreichen Unternehmensentscheidungen (allen voran das neue Werk in Malmö), die der Rüstungskonzern vor allem traf, um die Politik gefällig zu stimmen, der schlechten Produktivität von Trollhättan im Vergleich zu den finnischen Strebern aus Uusikaupunki, der absoluten Dominanz der technischen Entwicklungsabteilung über alle andere Bereiche (mit dem Resultat eines anfänglich regelrecht "unbaubaren" Saab 9000 mit gravierenden Qualitätsproblemen) bis zur peripheren Bedeutung der Autosparte für den Gesamtkonzern und der kaum vorhandenen Erfahrungen des gesamten Konzernmanagements in der internationalen Automobilbranche.

Manches scheint mir doch sehr düster gezeichnet. Saab war nicht British Leyland. Aber aufschlussreich ist das Buch schon.

Interessant unter anderem: Die Gewinne und Verluste der Automobilsparte in den Saab-Scania-Jahre nach offiziellen Unternehmensangaben (laut Ford, die Ende der 80er Übernahmeverhandlungen mit den Schweden führten, sind sie allerdings grob geschönt):

1972: Die Automobilsparte wurde gebildet und machte geringen Verlust.
1973-1975: Trotz der Ölkrise gab es kleine Gewinne im zweistelligen Millionenbereich.
1976-1978: Nun wurde es schlimm. 1977 und 1978 lagen die Verluste bei über 200 Millionen Kronen jährlich. Ein wichtiger Grund waren die Subventionen der sozialdemokratischen Regierung für den Aufbau von Lagerbeständen, um die Beschäftigung hoch zu halten. Es kam zu einer Überproduktion im Zehntausenderbereich mit entsprechenden Folgekosten.
1979-1981: 1979 schloss mit einer schwarzen Null. 1980, das Jahr nach dem zweiten Ölpreisschock, endete mit über 200 Millionen Kronen Verlust. 1981 betrug der Verlust 100 Millionen Kronen.
1982: Die starke Abwertung der Krone stützte den Export, der Jahresgewinn lag bei 250 Millionen Kronen.
1983-1986: Vier Jahre mit Rekordgewinnen. 1983 nahm der Absatz in den USA an Fahrt auf und trug zu einem Gesamtgewinn von 800 Millionen Kronen bei. 1984 wurde ein Gewinn von 1 Milliarde Kronen erreicht. 1985 waren es knapp 800 Millionen Kronen, 1986 runde 900 Millionen Kronen.
1987: Das Blatt begann sich zu wenden, der Gewinn sank auf unter 600 Millionen Kronen.
1988: Ein Verlustjahr mit minus 152 Millionen Kronen.
1989: Das Katastrophenjahr, in dem das Geschäft zusammenbrach: 2, 2 Milliarden Kronen Verlust.
 
Und wieder mal interessantes Peripher-Wissen.

Ende der 1980er Jahre war ein Saab laut wissenschaftlicher Untersuchung nach einem Jaguar das Auto, das am schwierigsten zu montieren war (sowohl 900 also auch 9000). 1989 dauerte die Produktion eines Saab zwischen 120 und 150 Stunden. 1992 war unter GM-Regie der Durchschnitt bei Saab auf 60 Stunden gesunken, lag damit aber immer noch weit über dem europäischen Durchschnitt, der seinerseits weit über dem japanischen Mittelwert lag.

Ein Consultant, der Ende der 80er Saab beriet, fasste zusammen: "Ich habe nie so ein verwildertes Unternehmen gesehen." Bei Saab – so die Analyse – hätten die technischen Entwickler ein hohes Ansehen. Der Vertrieb würde akzeptiert. Aber diejenigen, die die Autos zusammenbauten, zählten gar nichts. Der Krankenstand lag bei 14 Prozent. 7,8 Prozent hatten Bildungsurlaub. 5,8 Prozent waren in Elternzeit. 9,6 Prozent waren für Fortbildungen, Wehrdienst oder Gewerkschaftsarbeit freigestellt. Von allen Angestellten waren also weniger als 2/3 im engeren Sinne mit Arbeit beschäftigt. Dass Mitte der 80er trotzdem Gewinn gemacht wurde, lag fast ausschließlich an dem starken US-Markt. Und der hing an dem günstigen Wechselkurs. Als dieser sich drehte, brach das ganze System zusammen.

Als größte singuläre Fehlentscheidung gilt der Bau des Werks in Malmö, das 1989 in Betrieb ging und weniger als zwei Jahre später wieder geschlossen wurde. Die Entscheidung für den Neubau folgte der Doktrin des Konzernchefs Georg Karnsund, der gegen alle Warnsignale beharrlich daran festhielt, bis 1992 die Zielmarke von 180.000 Autos jährlich zu erreichen. Hierauf wurden alle Planungen ausgerichtet, auch als die Verkaufszahlen bereits anfingen, sich nach unten zu entwickeln. Von ihm ist die Devise überliefert: „Vi behöver volym, volym, volym!“ („Wir brauchen Volumen, Volumen, Volumen!“)

Im neuen Werk in Malmö wurden statt der geplanten 60.000 Autos pro Jahr nur 10.000 hergestellt. Kernproblem von Malmö war das Produktionskonzept. Statt der Produktion am Band, bei der ein einzelner Arbeiter für die stets gleichen Aufgaben eingesetzt wird, wurde in Malmö in Teams produziert, die jeweils ein komplettes Auto zusammenbauten. Das heißt: Jeder musste alles (oder zumindest viel) können. Zugleich war aber die Fluktuation sehr hoch. Das war in der schwedischen Autoindustrie generell der Fall, weil sie im Gegensatz zu anderen Ländern keine höheren Löhne zahlt als andere Industrien und die Reputation für Mitarbeiter sehr gering ist. Eltern in Trollhättan sagten ihren Kindern über Jahrzehnte: „Wenn du in der Schule nicht aufpasst, musst du später in die Stallbacka.“ (= ins Saab-Werk) Für das Werk in Malmö hieß das: Die Anlernphase für Arbeiter war sehr lang, zugleich verließen viele Mitarbeiter das Unternehmen aber nach kurzer Zeit schon wieder. Also wurden die Autos oft von Menschen zusammengebaut, die nicht wirklich wussten, was sie taten.

Kurios am Werk in Malmö war zudem: Die nackten Karosserien wurden per Zug von Trollhättan herangeschafft (womit auch geklärt wäre, warum die Saabs aus dem Werk in Malmö so stark rosteten). In den Wintermonaten mussten sie dann für die Fertigung erst einmal „aufgetaut“ werden. Nach der Fertigung wurden die Autos dann nicht etwa von Malmö aus verschifft, obwohl die Fabrik am Öresund lag. Vielmehr wurden sie nach Wallhamn transportiert und erst dort verladen.

Bei Gelegenheit muss ich mal zusammenfassen, wie das damals Ende der 80er Jahre so war, als Saab zunächst einen Kooperationspartner für die Entwicklung des neuen Saab 900 suchte, und dann zunehmend verzweifelt einen Käufer für die Automobilsparte. Es wurde bekanntlich GM. Aber vorher verhandelte man intensiv mit Mazda, bis man den Japanern einen Korb gab. Dann sondierte man mit Volvo und gab den Göteborgern schließlich auch einen Korb. Anschließend verhandelte man einen unterschriftsreifen Vertrag mit Ford und bekam von den Amerikanern in letzter Minute einen Korb. Die allerletzte Hoffnung schien Fiat zu sein, obwohl das bei Saab kaum jemand wollte. Aber dann kam überraschend ein Anruf aus Zürich. Dort sitzt die Europa-Zentrale von General Motors.

Alle Infos aus Hökerbergs "Spelet om Saab".
 
Was ja so paradox ist: Saab hatte einerseits nicht genügend Mittel, um ein Nachfolgemodell für den 900 zu entwickeln. Zugleich nahm man aber die wenigen Mittel, die man hatte, und investierte sie in einen Ausbau der Produktionskapazitäten. Die Annahme war also: Die Modelle werden immer älter und gleichzeitig immer stärker nachgefragt ...

Aber derlei Kuriositäten gab es viele.

Ein Beispiel: Die Zweiteilung der Automobildivision zwischen Trollhättan und Nyköping. Das gesamte Management saß mehrere 100 Kilometer entfernt vom Hauptwerk. Der Grund: Als die eigenständige Automobildivision innerhalb des Saab-Scania-Konzerns gegründet wurde, bekam diese einen Chef namens Torsten Arnheim. Dieser hatte aber zur Bedingung gemacht, dass er in Nyköping bleiben könne, weil seine Frau die Industriestadt Trollhättan langweilig fand. Erst unter General Motors wurde dann der logische Schritt vollzogen, das Unternehmen in Trollhättan zu konzentrieren.

Noch ein Beispiel: Die Saab-Produktion im finnischen Valmet-Werk geht noch auf den alten Patriarchen des Wallenberg-Clans, Marcus Wallenberg, zurück. Die Wallenbergs waren über Jahrzehnte die Haupteigentümer von Saab-Scania (und von so ziemlich allem anderen in Schweden). Wallenberg war mit dem finnischen Statspräsidenten befreundet.
Als die Finnen beschlossen, eine eigene nationale Automobilproduktion aufzuziehen, setzte Wallenberg Saab als Kooperationspartner durch. Der Preis dafür waren allerdings sehr vorteilhafte Vertragskonditionen für die Finnen. Ihnen wurde zugesichert, dass immer mindestens 28,6 Prozent der gesamten Saab-Automobilproduktion in Uusikaupunki liegen müsse. Außerdem garantierte Saab die Abnahme aller Automobile, die Saab-Valmet nicht auf dem Heimatmarkt verkaufen konnte – und zwar zum Preis ab Werk von Saab-Valmet. Diese von Saab später verhasste Übereinkunft erwies sich immer ausgerechnet dann als Mühlstein um den Hals, wenn die Lage wegen sinkender Absätze sowieso schon schwierig war – also in den 70ern und Ende der 80er Jahre. Zum einen konnte Saab die Kapazitäten zwischen den Werken nicht flexibel aussteuern. Zum anderen musste Saab den Finnen zu einem hohen Preis die Überproduktion abnehmen. Erst General Motors gelang es, diese Vereinbarung aufzulösen. Man verlagerte neben der bestehenden Saab Cabrio-Produktion auch einen Teil der Opel Calibra-Produktion nach Finnland.

Und noch ein Beispiel: Eine beliebte Methode, um dem schwedischen Staat Großaufträge für Militärflugzeuge oder Scania-LKWs abzuluchsen, war, ihn mit Saab-Komponentenwerken zu ködern. Die Logik war also: Gibst du mir einen Großauftrag, schaffe ich dir neue Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen deiner Wahl. Für die Automobildivision war das im hohen Maße unprofitabel. Es ist ein gutes Beispiel dafür, dass die PKW-Produktion sich im Saab-Scania-Konzern immer den Interessen von Scania und der Flugzeugproduktion unterordnen musste. Noch 1989 – also mitten in der tiefsten Krise - traf Saab im Rahmen eines solchen Deals die Vereinbarung, ein neues Motorenwerk in Karlskrona zu errichten, das man überhaupt nicht brauchte. Im Gegenzug gewährte der schwedische Staat einen Großkredit für das neue Zivilflugzeug Saab 2000.

Eines dieser typischen Saab-Komponentenwerke mit 100 Mitarbeitern wurde in Kramfors aus dem Boden gestampft. Es stellte Kabel für Saab Automobile her. Werke wie das in Kramfors waren hochgradig unproduktiv, weil sie sich gar nicht um Wettbewerbsfähigkeit bemühen mussten. Saab garantierte ja die Abnahme der Ware zu jedem Preis. Ein zweiter Zulieferer für Kabel war ein spanisches Unternehmen. Es lieferte die gleiche Ware 30 bis 35 Prozent günstiger... Unter General Motors wurden all diese Komponentenwerke abgestoßen. Viele davon wurden so wie Kramfors von den hiesigen Leitungen übernommen. Sie gingen nach kurzer Zeit bankrott.
 
Ganz vielen Dank für die Mühe, uns diese ganzen Infos hier ins Forum zu schrieben, wirklich klasse von dir! :top:
 
Da sträuben sich nicht nur den Betriebswirtschaftlern unter uns die Haare. Und das schlimme ist ja, dass Saab nicht das einzige Unternehmen war bzw. ist, in dem solche Fehlentscheidungen Tag für Tag getroffen werden.
Ich könnte heulen, wenn ich daran denke, dass es Saab heute noch geben könnte, wenn das Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll geführt worden wäre.
 
Sagen wir lieber etwas sinnvoller!
Wenn Saab wirklich wirtschaftlich sinnvoll geführt worden wäre, dann hätte Saab Autos wie einen Passat, Accord oder Fiesta gebaut. Dann hätte es mich auch nicht weiter interessiert, was aus der Firma wird (bzw. geworden ist)
 
So sehe ich das auch. Wir alle sind letztlich Profiteure davon, dass da bei Saab niemand je so richtig nachgerechnet hat, ob man mit den Autos, die man konstruiert, eigentlich Geld verdienen kann.

Nebenbei: Werbung können sie, die Nachbarn. Schön, dass es die zumindest noch gibt.

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Ich würde sogar meinen, dass es ein paar Aspekte schlechten Managements gab, die direkten Einfluss darauf hatten, dass die Autos so gut waren.

Der Konzern interessierte sich eigentlich nie sonderlich für die Automobilsparte. Sie war meistens lästig. Aber die Verluste ließen sich mit den Gewinnen von Scania verrechnen, was die gesamte Steuerlast angenehm senkte. Man investierte nicht viel in die Autodivision. Aber man achtete auch nicht sonderlich darauf, was sie trieb. Nur dadurch konnte ein Biotop entstehen, in dem die Ingenieure die absolute Hegemonie hatten. Die technischen Entwickler (und insbesondere die Motorenentwickler in Södertälje) waren bei Saab die unangefochtenen Halbgötter.

Zugleich war das Management von Saab in der internationalen Autoindustrie nahezu gar nicht vernetzt. Als der GM Europa-Chef Bob Eaton Ende der 80er zum ersten Mal beim Saab-Scania-Chef Georg Karnsund anrief, sagte dieser: "Wer sind Sie überhaupt?!" Aus dieser Mischung - Dominanz der technischen Entwickler und fehlende internationale Vernetzung - entstand das, was man bei Saab in den 80ern als NIH-Syndrom bezeichnete: "not invented here". Eine misstrauische, autistische Grundhaltung, in der man nur den Dingen traute, die man selbst konstruiert hatte. Oder kurz gesagt: Man hielt alle anderen Autohersteller für komplett dämlich. Dieses NIH-Syndrom führte dazu, dass Saab nicht profitabel sein konnte. Denn ein Nischenhersteller KANN nicht sämtliche Komponenten einer so komplexen Konstruktion wie eines Automobils selbst entwickeln und anschließend noch genug Geld damit verdienen.

Unsere Autos sind also im Wesentlichen Resultat des NIH-Syndroms. Und das ist bei Lichte betrachtet nur durch schlechtes Management entstanden. Gepriesen sei es!
 
"Oder kurz gesagt: Man hielt alle anderen Autohersteller für komplett dämlich."

Ja. Danke. Sind sie auch. Dadurch, dass die Verschuldungsprozesse (Politik!) zu ökonomischen Standards anwuchsen, konnte zwar die (richtige!) Sparte wirtschaftlich nicht mehr gehalten werden, aber wir sind noch nicht am Ende der (gehofft endlosen) Spirale angelangt… Erfolgreiche (per se) Automobilmarken (etwa BMW) veräußern ihre Automobile nur noch über Verschuldungskredite (95% der Produktion) ergo Leasing… Die Blase wird irgendwann platzen. Und dann sind auch diese Unternehmen im Jetzt angekommen… Danke, dass wir noch echte Autos fahren dürfen. Danke an die Saab-Philosophie… auch wenn sie veraltet erscheint. Ist sie hingegen nur, wenn man die Fehler des Marktes als wirtschaftliches, betriebswirtschaftliches "Must" akzeptiert. Muss man aber nicht. Man kann auch sagen: die "Anderen" lagen falsch, wir waren auf dem richtigen Weg...
 
Erfolgreiche (per se) Automobilmarken (etwa BMW) veräußern ihre Automobile nur noch über Verschuldungskredite (95% der Produktion) ergo Leasing… Die Blase wird irgendwann platzen.

Wenn ich mich richtig entsinne, war das aus der Sicht der Saab-Händler in den GM-Jahren der Hauptkritikpunkt: Man hatte über GM keine wettbewerbsfähigen Leasingkonditionen. Und da in den Segmenten, in denen Saab antrat, nun mal ein Großteil der Wagen Firmenwagen waren, hatte man ein richtiges Problem. Der freiberufliche Architekt least sein Auto nun mal, statt es zu kaufen. Bis vor ein paar Wochen arbeitete ich in einem schwedischen Unternehmen, das genau wie Saab zum Wallenberg-Imperium gehörte. Deshalb standen in der Dienstwagenliste auch Saab. Allein: Kaum einer wollte einen. Warum? Weil die monatliche Zuzahlung viel höher war als für einen BMW oder Audi.

Dass allerdings Leasingverträge immer stärker eingesetzt werden, um Autos im oberen Marktsegment gezielt in den Privatkundenmarkt zu prügeln, fällt mir auch auf. Mir scheint, gerade Volvo würde ohne dieses Instrument fast kein Auto mehr im deutschen Markt loswerden. Vor ein paar Monaten, als ich mit dem Gedanken spielte, mir einen neuen V70 zu holen, habe ich es selbst erlebt. Listenpreis um die 45k. Als Tageszulassung knapp 30k. Monatliche Leasingrate ohne Anzahlung: 365 Euro brutto. Mit diesem Auto können Hersteller und Händler kein Geld mehr verdienen.
 
„Kommst du pünktlich?“ Saabs Personalchef Allan Rothlind rief Jan Åke Jonsson früh am Morgen des 3. Dezember 2009 an. Nach seiner Rückkehr aus den USA war Jonsson in seinem dunkelgrauen Saab 9-3 Kombi auf dem Weg von Göteborg nach Trollhättan. „Ja“, antwortete der Saab-Chef, der in seinem Kalender notiert hatte, dass er um 8 Uhr am Morgen mit Rothlind zu einer Besprechung verabredet war. Dann schien es so, als ob Rothlind noch etwas anderes sagen wollte. Schließlich meinte er: „Sei nicht überrascht, wenn du zur Arbeit kommst.“ Jan Åke Jonsson fuhr und dachte: Vielleicht hatte jemand Kuchen mitgebracht. Immerhin war die Abwicklung von Saab noch einmal für 30 Tage aufgeschoben worden.

Im Morgengrauen standen am Haupttor von Saab mehrere hundert Arbeiter in der Kälte und warteten. Ein paar weibliche Mitarbeiter hatten sich direkt auf dem Parkplatz des Chefs postiert, jede hatte eine Rose in der Hand. Den Anfang hatte ein Kollege aus der Personalabteilung gemacht. Er hatte vorgeschlagen, dass man gemeinsam auf Jan Åke warten solle, wenn er aus Detroit zurückkomme. Danach wurde Geld gesammelt. Immer mehr Leute wollten sich beteiligen, und zum Schluss hatten sie so viel zusammen, dass sie ihrem Chef eine lebenslange Mitgliedschaft in seinem Lieblingsfußballverein AIK und ein Spa-Wochenende in Grythyttan schenken konnten – und einen Apfelbaum.

Schließlich kam er. Wie jeden Morgen fuhr er durch das Haupttor über den gefrorenen Asphalt, die Auspuffrohre stießen weiße Rauchschwaden in die Kälte. Da fingen sie an zu applaudieren. „Die Stimmung war unbeschreiblich“, sagt Projektleiter Maths Johansson, der unter den Wartenden war. Jan Åke Jonssons grauer Saab bahnte sich seinen Weg durch die Menge, auf seinem Gesicht war immer noch kein Lächeln – nur Erstaunen. Als er aus dem Auto stieg, wurde der Applaus immer stärker, zum Schluss klatschten die Arbeiter im Takt. Jan Åke Jonsson stand in seiner Winterjacke und mit einer Aktenmappe zwischen den Menschen. Jemand hatte ihm eine blaue Saab-Schirmmütze aufgesetzt, 20 Rosen wurden überreicht. Die Lokalzeitung TTELA machte ein Foto, aber es gab kein Mikrofon. Niemand hielt eine Rede. Alles war improvisiert.

„Ja, vielen Dank“, sagte Jan Åke Jonsson, und dann lauter: „Vor uns liegt harte Arbeit.“ Nur die, die ihm am nächsten standen, konnten ihn verstehen und hörten die Rührung in seiner Stimme. Dann ging er mit seiner Aktenmappe und den 20 Rosen durch die Menge zum Eingang und verschwand. Das Ereignis wurde von einer Angestellten gefilmt und später auf Youtube gestellt. Es war eine der Szenen in diesen Tagen, die das Bild des tapferen David Saab gegen den bösen Goliath GM prägten.

Im Nachhinein sagt Jonsson: „Ich brauchte eine ganze Zeit, um zu begreifen, dass diese Leute alle gekommen waren, um ihre Dankbarkeit auszudrücken. Man weiß ja nie so richtig, was die allgemeine Auffassung zu dem ist, was man tut. Man denkt auch nicht so oft darüber nach, sondern versucht einfach sein Bestes. Und wenn man dann plötzlich merkt, dass man so große Unterstützung hat – natürlich ist man dann auch gerührt.“

Der Abstand ist groß zwischen dem Chef und den Mitarbeitern am Band. Auch bei Saab. Jan Åke Jonsson erschien selten in der Fertigung, um mit den Arbeitern zu sprechen. Smalltalk ist nicht sein Talent. Aber „Jan Åke“, wie ihn viele Angestellte nennen, wurde immer mehr als der Einzige wahrgenommen, der noch auf der Brücke aushielt, während der eisige Wind ins Gesicht blies und das Schiff zu sinken drohte. Er kämpfte gegen die Todesurteile der Medien, gegen Spekulanten mit ihren leeren Versprechen, gegen die schwedische Regierung, die nur zynische Kommentare für Saab übrig hatte. Öffentlich wurde er wegen seiner Durchhalteparolen als "Bagdad-Bob" verspottet. Aber für die Menschen bei Saab war er der Einzige, der noch für sie kämpfte.

Aus: Jonas Fröberg. Kampen om Saab.

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Mir ist wieder einer zugelaufen: Bobo, der BorgWarner-Bomber.

In der an Glorie und Geniestreichen reichen Unternehmensgeschichte von Saab ist der arme Bobo nur eine Randnotiz. Er ist so wie der entfernte Verwandte, für den man sich etwas geniert, den man aber trotzdem aus Pflichtgefühl zu großen Familienfesten einladen muss. In Bobo versammelt sich alles, was nicht so glorreich und genial an Saab war. Sein stets etwas angestrengt und kehlig klingender 8-Ventil-Motor hat keinen Turbolader wie seine großen Brüder. Von den nominal vorhandenen 110 PS versumpfen etwa die Hälfte irgendwo in der antiken 3-Gang-Automatik des amerikanischen Zulieferers BorgWarner. Bobo ist also – und da gibt es gar nichts zu beschönigen – ein sehr, sehr langsames Automobil. Er ist so langsam, dass mein Freund C. einst über ihn sagte: „Wenn so einer vorbeifährt, brauchst ihn nicht zu fotografieren. Kannst ihn in Ruhe abmalen.“

Als ob es nicht genug wäre, dass Motor und Getriebe Bobo nur zu bescheidenem Vortrieb verhelfen, hat man beides auch noch in die einzige Karosserievariante gebaut, die selbst bei Markenliebhabern seit jeher nur eine Frage auslöste: „Wieso haben die denn DAS gebaut?“ Wer heute an einen Saab 900 denkt, der denkt an ein schwarzes CombiCoupé. Das Auto der Architekten, Intendanten und Autoren. Vergessen wird dabei, dass Saab stets auch einen anderen Kundenkreis im Auge behalten musste: Den genügsamen skandinavischen Durchschnittsrentner. Und für den war Bobo gedacht. Zwei Türen und ein klassisches Stufenheck. Fensterkurbeln, robustes Velours, „Was nicht drin ist kann nicht kaputt gehen“-Ausstattung. Gebaut wurde diese Kombination ausschließlich im finnischen Werk Uusikaupunki.

Das Problem an der Sache: Selbst der genügsame skandinavische Durchschnittsrentner ließ Bobo links liegen. Von 908.810 gebauten Saab 900 teilen nur 37.795 die Karosserieform von Bobo. Anfang der 1980er Jahre wollten die Schweden dem Chef ihrer Amerika-Vertretung, Bob Sinclair, das neue zweitürige Sedan-Modell schmackhaft machen. 1000 Stück davon sollte er in den USA jährlich verkaufen. Doch Sinclair sträubte sich: „So ein Auto lässt sich bei uns nicht verkaufen.“ Die Schweden beknieten ihn. Er könne alles in die Autos stopfen, was er wolle: Getönte Scheiben, Klimaanlage, elektrische Fensterheber, Leder. Sinclair überlegte und sagte: „Ich will ein Cabrioverdeck.“ Das war die Geburtsstunde des legendären Saab 900 Cabrio. Und wer auf dem Foto von Bobo mit der Hand das Dach verbirgt, kann noch heute erkennen, dass auf seiner Grundlage eines der schönsten Modelle in der Geschichte des Automobils überhaupt entstand.

Nur half Bobo das selbst überhaupt nicht. Manches ließe sich zu seiner Verteidigung vorbringen. Zum Beispiel, dass er mit seinem großen Kofferraum und der umlegbaren Rückbank einen ungewöhnlich großen Nutzwert für eine klassische Limousine hat. Oder auch, dass die Finnen seit jeher die beste Fertigungsqualität und Rostschutzvorsorge innerhalb des Saab-Konzerns ablieferten. Oder auch, dass der alte 8-Ventiler bei etwas Zuwendung genauso beachtliche Laufleistungen erreichen kann wie seine geschmeidigeren 16-Ventil-Brüder. Aber das alles hilft nichts. Nobody wants poor little Bobo.

Niemand? Das stimmt nicht ganz. Denn im Februar 1989 fand Bobo als brandneues Importfahrzeug seinen Weg von Finnland über Dänemark in die Garage von Ellen R., geboren im Februar 1923, wohnhaft in Hamburg Blankenese. Keinesfalls der mondäne Teil von Blankenese, sondern eine bescheidene kleine Zweizimmerwohnung in einem schlichten Mehrfamilienhaus. Ellen, so weiß ihre Tochter Barbara 26 Jahre später zu berichten, wollte unbedingt einen Saab. Ein entfernter Cousin hatte ihr gesagt, dass Saab die solidesten und sichersten Autos überhaupt baut. Ihren finanziellen Möglichkeiten entsprechend musste sie sich bei der Ausstattung beschränken. Sie wollte eine Automatik und dieses wunderbare große Schiebedach. Das reichte.

So kam Bobo zu ihr, und die beiden blieben 26 Jahre und 82.000 Kilometer lang zusammen. „Der Saab war ihr ein und alles“, sagte ihre Tochter. Sichtbares Zeichen der Zuneigung ist ein winziges Saab-Scania-Emblem, das Ellen R. als Devotionalie auf den Handschuhfachdeckel klebte. Sie wurde erst 70, dann 80, dann 90. Aber Bobo wollte sie nicht aufgeben. Er war ihr kleines Freiheitsversprechen auf Rädern. Entgegen aller Warnungen ihrer Tochter setzte sie sich immer noch selbst ans Steuer. Zwar löste sie regelmäßig Hupkonzerte aus und stellte die selbst reparierenden Stoßstangen (eine Saab-Erfindung!) beim Einparken auf harte Proben, aber Ellen und Bobo blieben unzertrennlich. Dann, eines Tages im Frühjahr 2015, fuhr Ellen R. in ihrem alten weißen Saab zum Einkaufen. Sie stieg aus, rutschte auf dem Parkplatz aus, kam ins Krankenhaus und starb.

Sie verbrachte ihre letzte Stunde in Freiheit in ihrem Saab. Aber jetzt brauchte Bobo ein neues Zuhause. Und so kam er nun vor kurzem zu mir. Als ich ihn abholte, brachte Ellens Tochter Barbara, die seit langem in England lebt und ein wenig aussieht wie Rose von den Golden Girls, mich hinunter zur Garage. Dort gab sie mir den Schlüssel und sagte: „Meiner Mutter hätte das sehr gefallen, dass Sie ihr Auto bekommen.“ Dann strich sie mir auf einmal etwas verlegen mit einer Hand über die Wange und sagte: „Passen Sie gut auf sich auf. Und auf den Saab auch.“ Als Bobo und ich vom Hof fuhren, winkte sie uns nach. Sicher dachte sie in diesem Moment an die vielen Situationen, in denen sie ihrer Mutter in ihrem Saab 900 nachgesehen hatte.

Warum nun bin ich der zweite Mensch nach Ellen R., der Bobo aufnimmt, obwohl ihn doch eigentlich keiner will? Weil ich ein Herz für unverstandene Minderheiten habe? Klar. Sonst würde ich ja überhaupt keinen Saab fahren. Weil ich diesen merkwürdigen Aberglauben habe, dass Autos, die geliebt wurden und werden, dankbar sind? Natürlich. Weil Bobo in all seiner konservativen Schlichtheit einen ganz eigenen Reiz ausstrahlt? Auch. Weil Bobo viele der Eigenheiten hat, die einen Saab 900 so besonders machen? Vom 45 Grad geneigten Motor über die in die Türen integrierten Seitenschweller, dem Zündschloss vor dem Schalthebel, der steilen, gebogenen Panoramafrontscheibe, dem genialen Fahrwerk? Selbstverständlich.

Aber es ist noch mehr als das. Seine Erstzulassung fällt in das Saab-Schicksalsjahr 1989. Jenes Jahr, in dem der so wichtige US-Markt für Saab zusammenbrach, der Saab-Scania-Konzern in Milliardenverluste taumelte und verzweifelt einen Partner für die Autosparte suchte. Am Ende schlug General Motors zu, die Autosparte wurde als "Saab Automobile AB" aus dem Konzern herausgelöst, und damit endete die Ära Saab-Scania – die Idee eines schwedischen Mobilitätskonzerns, der unter seinem Dach zivile und militärische Flugzeuge, Raumfahrttechnik, Lastkraftwagen, Busse und Automobile verbindet. Zwanzig Jahre lang hatte dieser Zusammenschluss gehalten. Einfach war diese Ehe aus Saab und Scania zwar nie. Aber sie war doch die beste und aufregendste Periode in der Geschichte von Saab. Und Bobo ist einer ihrer letzten Zeugen. In seinem Fahrzeugschein steht tatsächlich noch „Fahrzeughersteller: Saab-Scania (S)“. Wundervoll.

Nicht zuletzt: Bobo gehört genauso zur Geschichte meiner geliebten kleinen Autofirma wie jedes schicke schwarze Saab 900 Turbo Cabrio. Vielleicht ist er sogar noch typischer. Denn die Grundidee, mit der der Flugzeughersteller Saab zum Ende des Zweiten Weltkriegs in die Entwicklung eines eigenen Autos einstieg, war genau diese: Ein anspruchsloses, sicheres, zuverlässiges Automobil, das sich mit Frontantrieb seinen Weg durch die harten schwedischen Winter bahnt. Ein robustes, gutes, einfaches Fahrzeug, das dem Menschen ein treuer Freund ist. So sollte ein Saab sein. Und genau so ist Bobo.

bobo.jpg
 
Glückwunsch!!!
Ich hatte auch mal einen 8V Automatic. Auch als Sedan. Wahrscheinlich der einzige meiner nicht wenigen Saabs, den ich nie hätte hergeben dürfen...
 
Danke! Tiefenentspannte Mobilität. Ich bin noch nie so angstfrei an einer Radaranlage vorbeigefahren.
 
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