Ist ja witzig, dass Du die Sache mit den Ansprüchen anführst. Als Facharzt für Innenre Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie habe ich ein Stundenlohn von 27,40€ Brutto. Wie ich trotzdem zu einem recht ansehnlichen Gehalt komme? Ganz einfach: 10-12 Rufbereitschaften im Monat + 2-3 weitere Notdienste an der "Front" der Notfallambulanz.
Dein Einsatz und so wie Du ihn gestaltest und was Du dafür erntest, ehrt Dich ja, keine Frage.
Ich versuche mal den Begriff "Ansprüche" zu präzisieren, ohne Dich in dieses Schema pressen zu wollen. Drei meiner besten Freunde leben in diesen Kampf um Ansprüchen, ich selbst auch.
Wir repräsentieren den Mittelstand und haben deshalb materielle Vorstellungen:
Haus mit Garten: 500.000 € (In München 1-1,5 Mio. €)
Nebenkosten für das Haus: 500 € monatl.
Die E-Klasse vor der Tür 500 € monatl. Leasing (Geht über das Gewerbe, muß aber auch irgendwie verdient werden)
Der Zweitwagen für die Frau: 15.000 €
Kinder in der Privatschule: Kind 1 1000 € monatl. , das andere ist noch im priv. Kindergarten 150 €
Hobbys der Kids: Kind 1 Klavierunterricht 120 €, Kind 2 geht reiten: 250 €
1 x Urlaub für 4 Personen pro Jahr/ 2 - 3 Wochen: 5000 €
Klamotten + Kosmetik für die Frau 500 € monatl. (Die entweder schön werden will oder schön bleiben)
Ausgehen / Essen gehen / Kultur: 300 € monatl.
Putzfrau: 200 € monatl.
.... u.s.w., u.s.w. man kann es beliebig ausschmücken oder nach eigenem Gusto ändern.
Dazu kommen dann die Infrastrukturkosten für das Gewerbe, ggf. auch Personal ....
Das alles muß ja irgendwie verdient werden. Es sei denn, man hat von den Eltern steuerlich sinnvoll geerbt.
In unseren Ansprüchen wollen wir uns üblicherweise nicht mäßigen, wir wollen sie steigern und genießen. Das große Problem: Der Staat nimmt uns jedes Jahr mehr weg. Die Kompensation läuft über zusätzliche Arbeitsstunden (Bei einigen wenigen über höhere, aber nicht nachvollziehbare Rechnungen), die Ehefrau übernimmt einen 400 € Job oder mehr, ich investiere in eine Innovation etc.. Im Prinzip muß man sich alle 2 Jahre etwas neues ausdenken, um den Lebensstandard zu halten oder um ihn wie bisher zu steigern.
Fakt ist, da kommen monatlich Kosten zustande, und das über viele Jahre, die uns in diese Arbeitsspirale "zwingen" (Bzw. wir lassen uns dort hineinzwingen, weil wir unserem sogenannten "Glück" hinterherlaufen).
Die Stellschrauben werden fester gezogen, weil es wiederum andere Menschen gibt, die die gleichen Ansprüche haben wie wir auch. Zum Teil sitzen sie an einem längeren Hebel und geben somit die Taktzahl für unseren Arbeitseinsatz vor (Und für die Hemmschwelle, dass Mißbrauch irgendwann als legitimes Mittel betrachtet wird).
Die Frage, die ich mir immer wieder stelle: Ist es erstrebenswert, in dieser Spirale mitzulaufen, bis das System scheitert? Macht mich das Leben so glücklich, wenn ich nur noch Zeit für das "Haben" habe, aber nicht mehr für das "sein"?
Mag sein, dass ich mit meinem Denken völlig daneben bin oder so betrachtet werde.
Wenn ich Systeme wie das dieser Branche in Frage stelle, geht mir diese Frage immer wieder durch den Kopf: Sieht denn keiner, wo das alles hinführt?